Methodik zum leichtbaugerechten Konzipieren
Benedikt Posner
In der vorliegenden Arbeit wurde ein Methoden-Baukasten erarbeitet, um Leichtbaupotenziale zu analysieren und bereits in der Konzeptphase Leichtbau-Lösungen zu entwickeln. Aus der Leichtbau-Produktentwicklung sind verschiedene Leichtbau-Strategien bekannt, wie z. B. der Werkstoffleichtbau. Durch eine Zuordnung dieser Strategien zum generischen Produktentwicklungsprozess ergeben sich Lücken in der Methodik der Leichtbau-Produktentwicklung. Leichtbau wird in der von verschiedenen Autoren als wesentlich hervorgehobenen Konzeptphase kaum methodisch unterstützt. Der in der vorliegenden Arbeit entwickelte Methoden-Baukasten zum leichtbaugerechten Konzipieren schließt diese Lücke. Dieser kann durch seinen modularen Aufbau den unterschiedlichen Schwerpunkten der unternehmens- und projektspezifischen Produktentwicklungsprozesse angepasst werden. Die Funktionsmassenanalyse stellt das erste Methoden-Modul des Methoden-Baukastens dar. Mit ihr kann der Konstrukteur systematisch ein umfassendes Grundverständnis für die Funktionszusammenhänge und die im Produkt verbauten Massen entwickeln. Dabei werden zum einen die Wichtigkeit der Funktionen für die Erfüllung der Kundenanforderungen analysiert und zum anderen die Massen untersucht, die für die Umsetzung der Funktionen aufgebracht werden. Daraus lassen sich Massenziele sowie Leichtbaupotenziale ableiten. Anschließend wird mit dem resultierenden Wissen das Produkt auf das für den Kunde Wesentliche reduziert. Um die identifizierten Leichtbau-Potenziale auszuschöpfen, müssen Leichtbau-Lösungen gefunden werden. Die vorliegende Arbeit setzt dabei den Fokus auf alle Abstraktionsebenen der Konzeptphase, d. h. Funktions-, Wirk- und Gestaltebene. Die für die Erarbeitung dieser Lösungen entstandenen Methoden-Module basieren auf Grundsätzen zur systematischen Leichtbau-Lösungsentwicklung, diese wurden aufgestellt. Die Idee dieser Grundsätze ist es, zunächst den Informationsgehalt des Modells zu analysieren, das in der jeweiligen Abstraktionsebene der Lösungsbeschreibung eingesetzt wird. Ein Beispiel eines solchen Modells ist die Funktionsstruktur. Danach werden die Variationsmöglichkeiten erweitert. Dies geschieht basierend auf dem Ansatz, den das Contact & Channel – Model zur Lösungsvariation vorschlägt. Daraufhin werden die Variationsmöglichkeiten überprüft, ob sie für die Entwicklung einer Leichtbau-Lösung zweckmäßig sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sie das Umsetzen einer bestimmten Leichtbau-Strategie begünstigen. Um aus der entstandenen Lösungsvielfalt diejenigen mit einem größeren Leichtbaupotenzial auszuwählen, wird in der vorliegenden Arbeit ein zielführendes Vorgehen präsentiert. Die resultierenden Methoden werden in den sogenannten Funktions-, Wirk- und Gestalt-Leichtbau-Modulen beschrieben. Besonders auf Gestaltebene ist es wichtig, Lösungen abstrahieren zu können, um sich nicht auf diese zu fixieren. Das Gestalt-Leichtbau-Modul, welches auch als Leichtbau-Denkwerkzeuge bezeichnet wird, unterstützt dies. Außerdem umfasst dieses Methoden-Modul eine schrittweise Variation und eine vollständige, systematische Entwicklung von Leichtbau-Lösungen. Aus der Erweiterung der Leichtbau-Denkwerkzeuge unter Nutzung der bionischen Methoden entstand das Struktur-Leichtbau-Modul. Dieses hilft Konstrukteuren bereits ab der abstrakten Ebene der Wirkstruktur bei der Entwicklung von Strukturen unter Leichtbauaspekten. Die einfachen Regeln des Modells können bereits auf abstraktem Niveau für die Leichtbau-Strukturentwicklung angewendet werden. Die Regeln wurden dabei beispielsweise zur Berücksichtigung von Bauraumbeschränkungen und bewegten Bauteilen ergänzt. Eine Herausforderung des Leichtbaus beim Konzipieren ist es außerdem, dass die Masse von verschiedenen Funktionsstrukturen, Wirkprinzipien und Wirkstrukturen erst nach Festlegung des Volumens jedes Bauteils sowie des Werkstoffs bzw. dessen Dichte bekannt ist. Die Funktionsmasseneinschätzung, als weiteres Methoden-Modul, dient der Abschätzung des Leichtbau-Potenzials verschiedener Lösungen auf dem abstrakten Niveau der Funktions- und Wirkebene. Dazu werden systematisch Lösungen in Teillösungen zerlegt sowie andere Produkte mit teilweise ähnlicher Umsetzung dieser Teillösung analysiert. Basierend darauf kann eine Aussage über das Leichtbaupotenzial der abstrakten Lösungen getroffen und diese bezüglich Leichtbaukriterien ausgewählt werden. Der Methoden-Baukasten wurde in verschiedenen Industrieprojekten angewendet. Die resultierenden Evaluationsergebnisse waren ausnahmslos positiv. Als besonderer Vorteil zeigte sich, dass die Methoden-Module ohne weitere Softwareimplementierung mit einfachen Hilfsmitteln und in moderierten Workshops mit Entwicklern angewendet wurden. Dadurch konnten systematisch Leichtbau-Lösungen mittels des Methoden-Baukastens entwickelt werden.