Minderheiten und ihre Bedeutung für endogene Entwicklungen in Afrika
Das Beispiel Tansania
Ute Rietdorf
Im Zusammenhang mit dem Scheitern vieler Entwicklungstheorien und -strategien für die Beseitigung von Unterentwicklung im subsaharischen Afrika konzentrierte sich die Forschung mehr und mehr auf die Analyse der inneren Entwicklungsmöglichkeiten eines Landes. Eine besondere Rolle nahm und nimmt dabei die unternehmerische Privatinitiative ein. In einigen Ländern Afrikas stell(t)en ethnische Minderheiten einen bedeutenden Teil dieser Unternehmerschicht. Im Falle Tansanias führt(e) die Existenz der asiatischen Minderheit zu einer besonderen Konfliktstruktur und -latenz, zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit transnationaler Offenheit sowie zu Schwierigkeiten, den gesellschaftlichen Wandel zu lenken – in den Jahrzehnten des Versuchs eines afrikanischen Sozialismus ebenso wie im gegenwärtigen Transformationsprozess. Fragen der Indigenisierung der Wirtschaft, der Rechtmässigkeit einer tansanischen Staatsbürgerschaft für Asiaten sowie der sozialen Integration stehen deshalb nach wie vor im Brennpunkt öffentlichen Interesses. Letztendlich geht es darum, sich über Konfliktfähigkeit, Kommunikation und Kooperation einen inneren Konsens zu schaffen und sich dadurch die Chancen auf eine generelle gesellschaftliche Handlungs- und Innovationsfähigkeit zu erhalten. Das Vorhandensein einer nicht-indigenen, wirtschaftlich erfolgreichen Minderheit macht diese Aufgabe nicht leichter. Gelingt es aber, diese Situation als Anstoss, als Herausforderung und zusätzliche Verflechtungsmöglichkeit zu begreifen und zu realisieren, kann ihre Existenz über Steuereinnahmen und Arbeitsplätze hinaus entscheidende Impulse vermitteln. Diese Potenziale eines endogenen Synkretismus, von Symbiose und Synthese als ein spezifisch eigengewachsener Umgang mit Problemen und Chancen bieten sich in einer heterogen zusammengesetzten Gesellschaft jedenfalls nahezu von selbst an.