Minimalismus
Leonid Dobycins Prosa im Kontext der totalitären Ästhetik
Caroline Schramm
Minimalismus ist eine Schreibweise, die mit Verfahren der Auslassung und Konzentration arbeitet und gattungs- und epochenspezifisch jeweils unterschiedliche Funktionen haben kann. In dieser Arbeit geht es zunächst um eine literaturwissenschaftliche Differenzierung des Minimalismusbegriffs, in der verschiedene, für eine Ästhetik der Kürze relevante Traditionen und Theorieangebote aufgegriffen werden. Eine Interpretation der Romane und Erzählungen von L. Dobycin (1894-1936) macht anschließend deutlich, daß Minimalismus im Kontext der totalitären Ästhetik eine Schreibweise der subversiven Affirmation ist, die in ihrer Reduziertheit das Verstummen der halb- und inoffiziellen Kultur literarisch artikuliert. Dobycins Rekurs auf die Sprache der Ideologie führt Momente der Selbstreflexion dort ein, wo sie nicht zugelassen sind, und deckt die Möglichkeitsbedingungen totalitärer Kultur auf, von denen diese selbst zu schweigen vorgibt: die Verfahren der Ausgrenzung, Abschaffung und des erzwungenen Verstummens.