Nachrufschrift für den Selbstmörder Christoph Rhelin aus dem Jahr 1596
Kommentierte Edition
Klaus Knothe, Johann Pertsch, Ralf Schuster
Leichenpredigten in der Barockzeit sind nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich aber ist eine Leichenpredigt für einen Selbstmörder. Klaus Knothe legt nun die kommentierte Edition einer solchen seltenen und kulturgeschichtlich hochinteressanten Nachrufschrift vor. Christoph Rhelin fährt aus dem Aischgrund (Mittelfranken) zu einem Gespräch nach Kulmbach und versucht am Morgen des nächsten Tages, sich das Leben zu nehmen, indem er sich einen Hirschfänger in den Leib stößt. In den ihm verbleibenden knapp zwei Tagen bereut er in Gesprächen mit dem Kulmbacher Pfarrer Johann Pertsch diese Tat. Pertsch erteilt ihm die Absolution und spendet ihm das Abendmahl. Die Leichenpredigt ist der Versuch des Pfarrers, dieses Verhalten vor der Gemeinde und vor seinen Kirchenobern zu rechtfertigen. Kirchengeschichtlich besonders bedeutsam ist, daß als ein Grund für den Selbstmordversuch die theologische Kontroverse zwischen Luthertum und Calvinismus benannt wird. Der Kommentar erschließt zusätzlich die aus der Nachrufschrift nicht ersichtliche Herkunft und Biographie des Selbstmörders. Die Edition gewährt vielfältige Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Reformationszeit.