Nachsorgeprojekt Chance
Kein "Entlassungsloch" für jugendliche Strafentlassene
Die Schnittstelle zwischen Strafvollzug und der ambulanten Nach-betreuung hat sich in der Praxis immer als äußerst problematisch und als unbefriedigend geregelt ergeben. Dabei besteht in dieser speziel-len Phase für die Kriminalprävention die größte Herausforderung, da die Rückfallgefahr in den ersten Monaten nach der Haftentlassung am größten ist. Die Verzahnung der stationären und ambulanten Dienste wurde schon immer als wesentlich reformbedürftig angese-hen und es wurden von vielen Praktikern und Experten gut gemeinte Konzepte entwickelt. Meist sind diese nach einer Erfolg versprechen-den Anfangsphase dem Alltag der Normalität – und damit der institu-tionellen Trennung von stationärer und ambulanter Straffälligenhilfe – zum Opfer gefallen. Die Rückfallraten von 80% der Jugendlichen, die aus dem Jugendstrafvollzug entlassen werden, sind so erschreckend hoch, dass nach alternativen Wegen gesucht werden muss.
Das Zusammenwirken der verschiedenen mit diesen Aufgaben der stationären und ambulanten Betreuung von Straffälligen betrauten Institutionen und deren Fachkräfte, ist ein wesentlicher Faktor, um eine positiv wirkende Resozialisierung zu erreichen. Diese Wirkung muss messbar sein. Die Fähigkeiten der Entlassenen, ihre besondere Lebenssituation zu bewältigen muss verbessert und zugleich die Rückfallvermeidung erhöht werden.
Die aktuelle Fachdiskussion und alle Untersuchungen weisen nach, dass eine wirkungsorientierte Steuerung der Resozialisierungsarbeit im Strafvollzug nicht mit dem Tag der Entlassung enden darf, sondern dass erst durch die vollzugsübergreifende Integrationsplanung, die Nachsorge und ein verbessertes Netzwerkmanagement andauernde Eingliederungserfolge mit Reduzierung der Rückfallgefahr realisiert werden können.
Andernorts sind deshalb Spezialdienste eingerichtet worden, die insti-tutionsübergreifend die notwendige Verzahnung zwischen den am-bulanten und stationären Maßnahmen sicherstellen (auch das Bun-desverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 31. Mai 2006 eine „verzahnte Entlassungsvorbereitung“ für den Jugendstrafvollzug ge-fordert).
Mit dem Nachsorgeprojekt Chance schafft das Land Baden-Württemberg eine organisatorische Voraussetzung, diesem Mangel im Bereich der jugendlichen Straftäter zu begegnen. In dem Hand-buch werden das Nachsorgeprojekt und das Qualitätskonzept aus-führlich beschrieben. Aus der Sicht der Praktiker und der Forschung werden ersten Erfahrungen benannt.
Ein weiterer besonders zu betonender Faktor des Nachsorgeprojektes Chance ist einerseits der Zusammenschluss der Landesverbände mit einem Wohlfahrtsverband zu einem einzigen Dienstleister für den Trä-gerverein Projekt Chance e.V. und andererseits der Zusammen-schluss der örtlichen bzw. regionalen Vereine in einem gemeinsamen Projekt. Die Landesverbände haben erkannt, dass es sinnvoll ist, ge-meinsam zu handeln und sich abzustimmen. Das war auch schon bei der Bewerbung um die Übernahme der Bewährungshilfe in Baden-Württemberg versucht worden, führte aber kurzfristig nicht zum an-gestrebten Erfolg. Jetzt hatte man genug Vorlauf und Erfahrungen sammeln können. Das gemeinsame Auftreten der regionalen Verei-ne unter einem Landeszusammenschluss, hat sich in der Zusammen-arbeit mit dem Ministerium als sehr erfolgreich bewährt. Die konkurrie-renden Elemente konnten damit reduziert und das gemeinsame An-liegen gestärkt werden. Es ist zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch in anderen Bereichen der Straffälligenhilfe durchsetzt. Andere Regionen können dabei vom vorbildlichen Vorgehen der Verbände und Vereine in Baden-Württemberg etliches lernen.