Narkoprosa
Darstellungsparadigmen und erzählerische Funktionen in der lateinamerikanischen Literatur zum Drogenhandel
Lisa Quaas
Angesichts markanter Tendenzen der Mythifizierung der Welt des Drogenhandels in Medien, Kultur und der gesellschaftlich geteilten Vorstellungswelt legt die Arbeit ein besonderes Augenmerk auf die Verarbeitung der Narko-Imaginarien in der Literatur. Einer literaturanthropologischen Perspektive folgend, fragt die Untersuchung nach den erzählerischen Funktionen der Werke für Autor und Leser. Sie arbeitet hierbei zwei dominante Bewältigungs- bzw. Verarbeitungsformen der als fremdartig, angsteinflößend und bedrohlich wahrgenommenen Welt des Drogenhandels heraus, die unterschiedliche Entwicklungsphasen der Narkoprosa prägen. Die vorwiegend in den späten 1980er und 1990er Jahren veröffentlichten testimonial und chronistisch geprägten Werke der Narkoprosa begegnen den empirischen Erfahrungen eines feindlichen „Anderen“ mit größtmöglicher Neutralität und ethnographischem Interesse. Sie ermöglichen so eine nüchterne Annäherung an die mit Angst und Fremdheit verbundene Welt des Drogenhandels. Die im neuen Jahrtausend veröffentlichten transgressiven Narkoromane übernehmen hingegen eine wichtige Spiegel- und Projektionsfunktion für die lateinamerikanischen Gesellschaften, da sie mit den Mitteln der literarischen Fiktion das Fremde in der globalen Moderne auf- und bearbeiten und neu erfinden. Das schließt auch das angesichts von Gewalt, Angst und Rausch fremd gewordene „Subjekt“ mit ein.