Nationaler Stil und europäische Dimension in der Musik der Jahrhundertwende
Helga de la Motte-Haber
Die Idee des Nationalen dringt erst spät, nämlich im 18. Jahrhundert, in die Musikgeschichte ein. Nationale Idiome konnten der stilistischen Differenzierung dienen, ohne zunächst den Gedanken an einen universell geltenden Stil auszuschließen. Um 1900 hatte sich der darin enthaltene Widerspruch zugespitzt. Die Hegemonie, die ein Stil beanspruchte, wurde in Frage gestellt. Nationale Bestrebungen von Komponisten führten zur Auflösung eines Universalstils und wirkten damit bei der Entstehung der Neuen Musik mit. Nationales Denken und Nationalgefühl kulminierten grundsätzlich um diese Zeit. Die musikgeschichtliche Entwicklung korrespondiert mit den Veränderungen im allgemeinen Bewusstsein. Musikalisch ist es dennoch schwer, einen Nationalstil zu definieren. Die divergierenden musikalischen Ansätze, die außerdem von dem jeweiligen Personalstil eines Komponisten durchkreuzt werden, versucht der vorliegende Band sichtbar zu machen.