Neoliberalismus – Freiheit und struktureller Zwang
Eine ideen- und strukturgeschichtliche Untersuchung
Michael Girkinger
Im alltäglichen Diskurs zählt der „Neoliberalismus“ schon seit längerem zu den viel diskutierten Begriffen, um aktuelle soziale, politische und ökonomische Phänomene zu deuten. Oft führt das jedoch dazu, was man als „Interpretationsinflation“ bezeichnen könnte, d.h., wenn man mit dem Neoliberalismus alles erklären will, erklärt man am Ende nichts. Mangels Definitionstiefe wird der Neoliberalismus auf diesem Weg selbst wieder zum abstrakten Phänomen, mit dem viele nichts anfangen können. Um den Neoliberalismus besser zu verstehen, ist es daher hilfreich, ihn auch in seiner geschichtlichen Dimension als in sich schlüssiges Weltbild zu analysieren und daraufhin seinen wachsenden Einfluss auf die Wirtschaftspolitik aufzuzeigen. Eines sollte bei all dem nicht vergessen werden: der steigende Wettbewerb, Waren und Dienstleistungen zu verkaufen, ist ganz wesentlich auch ein Wettbewerb um menschliche Sehnsüchte, also um das Mangelwesen „Konsument“. Verkauft werden nicht nur Waren oder Leistungen, sondern mehr und mehr zugleich Emotionen und Erlebnisse, Bilder von Glück, Freiheit und Schönheit. Oder hat jemand schon einmal ein so entspanntes Gesicht und ein so tiefes Lächeln gesehen wie von einem Menschen in einer Wellness-Werbebroschüre? Es ist die alte und immer aktuelle Debatte um das Verarmungspotential einer Arbeits- und Konsumkultur, die in einem merkwürdigen Widerspruch gefangen ist: sie fordert, dass die Menschen hart arbeiten und zugleich Hedonisten aus Leidenschaft sein sollen.