Neuvermessung deutschsprachiger Erinnerungsstrategien in der Kinder- und Jugendliteratur nach 1990
Bettina Oeste, Ulrike Preußer
Die kinder- und jugendliterarische Verarbeitung von Nationalsozialismus und Holocaust stellt seit jeher eine große Herausforderung dar. In der KJL-Forschung sowie aus geschichtswissenschaftlicher und -didaktischer Perspektive sind die zur Gattung gehörenden Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren (aber auch Übersetzungen aus dem Ausland) bis Ende der 1980er Jahre intensiv beforscht und kritisch hinterfragt worden. Neben der literarischen Qualität stellt vor allem die von der israelischen Literaturwissenschaftlerin Zohar Shavit formulierte Kritik an der deutschsprachigen KJL zum Thema einen wichtigen Bezugspunkt für die Auseinandersetzung dar: Demnach erfolge die Literarisierung der Holocaustthematik überwiegend auf der Basis verharmlosender Stereotype. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich seit den 1990er Jahren ein Wandel vollzogen hat.
Welche literarischen Erinnerungsstrategien sind in den geschichtserzählenden Texten der letzten Jahre und Jahrzehnte erkennbar? Und welche Möglichkeiten des literarischen und historischen Lernens bieten sie an?
Der Band stellt insofern eine „Neuvermessung“ deutschsprachiger Kinder- und Jugendliteratur zu diesem Themenkomplex dar, als dass er das breite Spektrum gattungstheoretischer und literarästhetischer Besonderheiten neuerer Werke abbildet und dabei die Notwendigkeit innovativer methodischer wie didaktischer Herangehensweisen nahelegt.
Aus dem Inhalt:
Clemens Kammler: Wahrheit als Kriterium der Wertung von Kinder- und Jugendliteratur zu Nationalsozialismus und Holocaust;
Bettina Oeste: Zur Genderfrage in zeitgeschichtlicher Kinder- und Jugendliteratur;
Michael Reichelt: Auto- und heterostereotype Beschreibungen jüdischer Figuren in der zeitgenössischen deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur;
Maciej Jędrzejewski: (Re-)konstruierte NS-Vergangenheit in den popliterarischen Werken ‚Das Große Grover Buch‘ von Andreas Mand, ‚Faserland‘ von Christian Kracht und ‚Generation Golf‘ von Florian Illies;
Cornelius Herz: Erzählen vom Erinnern. Filmische Narration in Robert Thalheims ‚Am Ende kommen Touristen‘ (2007) aus Perspektive der Forschung zur zeitgeschichtlichen Kinder- und Jugendliteratur;
Gabriele von Glasenapp: „Nicht mich will ich retten“. Kinder- und jugendliterarische Repräsentationen von Janusz Korczak;
Torsten Mergen: Fiktion – Narration – Kompetenz. Aktuelle zeitgeschichtliche Jugendromane und ihr didaktisches Potenzial;
Monika Rox-Helmer: „Sie alle hatten dafür gesorgt, dass in diesem Krieg die Hoffnung nicht untergegangen war“ – Historisches Lernen im Lektüreprozess am Beispiel der Romane ‚Die Edelweißpiraten“ von Dirk Reinhardt und ‚Wir tanzen nicht nach Führers Pfeife“ von Elisabeth Zöller