Online Crowds
Massenphänomene und kollektives Verhalten im Internet
Christian Russ
Als Pionier eines der interessantesten Webtrends im Jahre 2003 konnte Jonathan Abrams mit dem ersten Social-Networking-Dienst Friendster eine große Benutzer-Community hinter sich vereinen. Für seine Internet-Idee bekam er mehrere Millionen an Venture Kapital. Trotz dieser guten Ausgangssituation musste der Gründer im Jahre 2007 eine schmerzvolle Niederlage hinnehmen, denn die später gestarteten Kopien seiner Idee wie MySpace oder Facebook hatten den Wettlauf um die Benutzerzahlen gewonnen und Friendster war ins Abseits geraten.
In kürzester Zeit verdrängen Internet-Newcomer durch innovativere Ideen und schnelles Wachstum einstige Internet-Monopolisten von ihren Rängen. Eine Ursache liegt in den kollektiven Verhaltensformen der pulsierenden Benutzermassen, die durch ein förderliches sozio-technisches Umfeld außerordentliche Phänomene im Web erzeugen. Diese „Online Crowds“ verhalten sich wie virtuelle Herden, welche die Webseiten bevölkern und ihren Betreibern zu neuen Besucherrekorden verhelfen.
In dieser Arbeit werden diese emergenten Internet-Massenphänomene beschrieben und Erklärungsansätze für einzelne Wirkungsbereiche geliefert. Hierzu wird basierend auf einem Modell der klassischen Massenpsychologie ein zeitgemäßes Modell der „Online Crowds“ entwickelt, welches wichtige Entwicklungsphasen dieses sozialen Prozesses beschreibt. Anhand detaillierter Fallbeispiele werden die einzelnen Wirkungskomponenten eines solchen sozialen Ansteckungsprozesses aufgearbeitet und dokumentiert. Dabei werden die angestellten Überlegungen mit Hilfe von Ansätzen und Theorien aus der Wirtschaftspsychologie und den Wirtschaftswissenschaften sowie durch Grundlagen der Netzwerktheorie und des Systemischen Denkens untermauert. Abschließend werden ausgewählte Empfehlungen zur Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Online-Geschäftsmodellen erörtert.
Auf Basis dieser Überlegungen ist es möglich, die „Online Crowd Readiness“ neuer Online-Geschäftsideen zu prüfen und mögliche Verbesserungspotenziale zu erkennen.