Politische Rede als Interaktionsgefüge: Der Fall Hitler
Hans-Rainer Beck
Gegenstand der empirischen Untersuchung sind sieben Reden Hitlers aus dem Zeitraum von 1933 bis 1944 (inkl. einer Erstedition im Anhang). Politische Rede wird als ein kommunikativ konstruiertes Wechselspiel zwischen Redner und Publikum aufgefaßt, dessen dialogisches Gefüge unter dem Oberbegriff der Emphase mittels aufeinander bezogener, quantifizierender Analysen der Rhetorik – Stil, Prosodie und Semantik – und des Publikumshandelns herausgearbeitet wird. Erstens werden regelhafte linguistische Zusammenhänge bei gesprochener Sprache aufgezeigt, etwa zwischen attackierender Semantik und Prosodie oder zwischen syntaktischer und attackierender Semantik bzw. Prosodie. Zweitens nimmt die Interpretation anhand von zeitgenössischen Quellen Bezug auf historisch-politische Kontexte, in denen die Reden stattfinden. Die aus der linguistischen Interaktionsanalyse gewonnenen Erkenntnisse spiegeln die Historie wider. Es zeigt sich die situationelle Bedingtheit erstens der Ausprägung öffentlicher politischer Rhetorik und zweitens des „Erfolgs“ bzw. „Mißerfolgs“ rhetorischer Strategien bei der Rezeption. Angelehnt an ein Charisma-Konzept, das Charisma als ein soziales und kommunikativ konstituiertes Produkt auffaßt, wird anhand der sieben zwischen Hitler und Publikum stattfindenden Interaktionsabläufe das Bild einer >Interaktionsgeschichte< von 1933 bis 1944 gezeichnet, die sich vor dem historischen Hintergrund plausibel deuten läßt. Die Analyse verbindet damit mikroskopische, quantifizierende linguistische Untersuchung mit makroskopischer, qualitativ orientierter historischer und soziologischer Interpretation.