Pornographie und Klassenkampf
Für eine materialistische Psychologie
Diether Dehm
Das Verhältnis zur Pornographie ist nicht nur in linken und feministischen Kreisen umstritten. Handelt es sich bei ihr um perversen Kommerz und abweichendes Psycho-Verhalten, gar um eine Sucht? Oder ist sie ein Weg zu neuem Glück – der nur offiziell verdrängt wird? Ist mittlerweile die Prüderie der alten Rechten auf die neue Linke übergegangen? Und was haben schlechte Arbeits- und Sozialverhältnisse mit schmutzigen Fantasien zu tun? Warum nannte Bertolt Brecht einen Teil seiner fulminanten Liebeslyrik „pornographische Gedichte“? Und warum fehlt in den Sachwort-Verzeichnissen marxistisch orientierter Psychologen meist das Wort „Sexualität“? Der langjährige Bundestagsabgeordnete Diether Dehm folgt in seinem neuen Buch nicht nur der Pornographie-Geschichte seit der Antike, sondern behandelt auch die aktuelle Debatte.
Die materialistische Psychologie erklärt, wie Arbeit und Geschichte die einzelne Persönlichkeit werden lassen. Die Organisierung menschlicher Tätigkeiten ist von der Ausrichtung der Gefühle, sogar von der Formatierung der Triebe und von der Reparatur psychosomatischer Beschädigungen nicht zu trennen. Eine „unpolitische“ Therapie betrügt sich also um ihr Potenzial.
Der Autor kommt mit seiner Analyse Leerstellen im Marxismus auf die Spur – soweit diese das Subjekt im Klassenkampf betreffen. Antonio Gramscis Satz „Die Natur des Menschen ist seine Geschichte“ versucht Dehm in einer Analogie zu veranschaulichen: „Triebe (‚animal spirits‘ nach Marx) werden im Menschen historisch völlig neu formatiert, wie durch eine Espressomaschine, wonach in der Tasse weder Kaffeebohnen noch Wasser voneinander getrennt zu schmecken sind.“
Schlusssatz: Wer asoziale Pornographie überwinden will, braucht dazu nicht nur bessere Pornographie, sondern sozialere Verhältnisse.