PRISM
Ein Lehrstück für unsere Demokratie
Bernd Liske
Die deutsche Geschichte kennt viele Geschichten des Versagens. Ob die Geschichte einmal die gegenwärtige Corona-Pandemie hinzuzählen wird, ist noch nicht entschieden. Wenn es heißt, Geschichte wiederholt sich, dann gibt es dafür einen systemischen Grund: Verhaltensmuster wiederholen sich. Insofern ist es immer wieder hilfreich, Geschichte zu reflektieren.
Ohne Zweifel ist die NSA – Affäre von 2013 eine Geschichte des Versagens. Die Enthüllungen von Edward Snowden bestimmten über Monate die politische Diskussion in Deutschland und tagtäglich die Medien. Aber die fehlende Erfahrung in souveränem Handeln und die politische Kultur führten dazu, dass sich die Regierung aus CDU und FDP und die Oppositionsparteien in gegenseitigen Schuldzuweisungen ergingen und die Affäre letztendlich zu einer großen Unterhaltungsshow wurde, aus der nur wenig substanzielles hinsichtlich eines mehr an Sicherheit erwuchs. Was sicher auch dem bevorstehenden Bundestagswahlkampf geschuldet war.
Ausgehend von einem von ihm ursprünglich im Arbeitskreis Verteidigung des BITKOM entwickelten Konstrukt eines Redesigns der Netze schildert der Autor seine persönlichen Erfahrungen als Bürger Deutschlands bei dem Bemühen, aus den Enthüllungen zu einem substanziellen Handeln zu kommen, mit dem das Ausspähen der deutschen Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt verhindert wird. Er schildet detailliert, wie er sich an die politische Elite in Deutschland wandte und dabei auf eine Mauer des Schweigens traf. Der Show fügte er quasi eigene Szenen hinzu, in denen er mitspielte und das tatsächliche Handeln aus unmittelbarer Nähe verfolgen konnte.
Doch dem Autor, der sich seit vielen Jahren mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen beschäftigt, geht es um mehr. Ähnlich wie heute die Corona-Epidemie bot die NSA- Affäre einen tiefen Einblick in die gesellschaftliche Verfasstheit, aus der wiederum das Handeln auf allen gesellschaftlichen Ebenen erwuchs. Die Erfahrungen mit der politischen Elite führten bei ihm zu der Frage nach den Gründen für die von ihm wahrgenommene Agonie in Deutschland bei der Bewältigung der zunehmenden gesellschaftlicher Herausforderungen. Dazu beschäftigt er sich neben der NSA-Affäre auch mit den Wahlprogrammen der Parteien für die Bundestagswahl 2013, der berühmten Rede von Barack Obama vor dem Brandenburger Tor, mit Reden des damals neuen Papstes Franziskus, dem Doping in Deutschland und dem Fall Gustl Mollath.
Das Buch, dass den Zeitraum zwischen dem 05. Juni 2013 und dem 19. Juni 2013 beleuchtet und innerhalb von drei Wochen im August 2013 entstand, ist ein autobiographisch geprägtes und zeitgeschichtliches Dokument, dass tiefe Einblicke in die Verfasstheit der deutschen Gesellschaft ermöglicht. Die Tatsache, dass sich Deutschland zwar wirtschaftlich weiterentwickelt hat, aber nicht hinsichtlich der Substanzentwicklung zu den Werten, die es sich für sich vorgegeben hat, sowie der individuellen und gesellschaftlichen Fähigkeiten zur Problembewältigung und des Gemeinsinns, als Volk gemeinsam anstehende Herausforderungen anzugehen, macht es zu einer hochaktuellen und überaus nützlichen Lektüre.
Sehr hilfreich ist das umfangreiche Quellenverzeichnis, das von Kant und Hegel über die Unabhängigkeitserklärung der USA und Texte des Vatikan bis in das Zeitgeschehen der Gegenwart reicht und dem Leser eine über das Buch hinausgehende Lektüre entlang seiner eigenen Interessen ermöglicht.