„Prison-Paradise“?
Das Internat als Entwicklungsraum in deutschsprachigen Romanen nach 1968
Anna Stiepel
Internat: Hört oder liest man dieses Wort, assoziiert man entweder eine Gemeinschaft fröhlicher Schüler, es fallen einem „Hanni und Nanni“ und „Harry Potter“ ein. Oder man denkt an die kritischen Stimmen, die von Gewalt und Missbrauch sprechen. Anna Stiepel untersucht die Darstellung des Internats in hierfür zentralen Romanen der deutschsprachigen Literatur und verbindet dabei Texte wie Hermann Hesses „Unterm Rad“ und Christoph Peters’ „Wir in Kahlenbeck“ unter Einbeziehung zentraler Arbeiten Michel Foucaults zur Theorie und Geschichte von Institutionen. Die weiteren dafür ausgewählten Romane stammen unter anderem von Barbara Frischmuth, Michael Köhlmeier, Hannes Anderer und Thomas Fuchs. Die Autorin zeigt, dass in deutschsprachigen Internatstexten zwischen paradiesischer Idylle und gefängnisartigen Mauern ein Lebens- und Entwicklungsraum entworfen wird, der von Enge, Isolation und Unterdrückung geprägt ist. Schüler werden in diesem von Machtstrukturen durchsetzen Raum nicht nur zu Opfern, sondern auch zu Tätern. Vor allem die Internatsromane der Gegenwartsliteratur stellen das „Prison Paradise“ Internat als ambivalentes System aus Einschließung und Freiheit dar, das scheinbar offen, scheinbar paradiesisch und scheinbar idyllisch ist.