Prüfmethode zur direkten Steifigkeitsmessung von punktförmigen Fügeverbindungen
Ortwin Hahn, Fred Jesche, Reimund Neugebauer, Matthias Wißling
Die treffsichere und korrekte Berechnung von Beanspruchungen an Strukturen mit einer Vielzahl punktförmiger Fügestellen ist immer noch eine Herausforderung insbesondere dann, wenn örtliche Beanspruchungen im Bereich der Fügestellen ausgewertet oder eine Bruchgefährdung beurteilt werden müssen. Ursachen hierfür sind neben unzulänglichen FE-Modellen für die Darstellung der Fügestellen der Mangel an exakten Primärdaten, die die Eigenschaften der Fügestellen beschreiben.
Das Forschungsprojekt hatte daher das Ziel eine neue Methode zur Ermittlung des Steifigkeitsverhaltens von punktförmigen Fügeverbindungen systematisch zu untersuchen und zu bewerten sowie die Anwendbarkeit der ermittelten Kennwerte in der Strukturberechnung zu überprüfen.
Das Prinzip dieser neuen Methode zur Ermittlung der Steifigkeit punktförmiger Fügeverbindungen beruht auf der Messung der Relativverschiebung der Bleche zwischen den Fügestellen bei Scherzugbelastung. Die gemessene Relativverschiebung ist proportional den Deformationen der Fügestelle. Dehnungen des Blechwerkstoffs sowie Verformungen des Lastrahmens oder der Kraftmesszellen haben keinen Anteil an der Relativverschiebung.
Es wurden zwei Prüfmethoden und die notwendige Messtechnik entwickelt und getestet. Für symmetrische Fügeteilpaarungen, d.h. bei Paarungen gleicher Blechdicke und gleichen Werkstoffs erfolgten die Prüfungen an einer 2-Punkt-Scherzugprobe. Die Messung der Relativverschiebung erfolgt bei Scherzugbelastung im Symmetriepunkt zwischen den Fügestellen mit einem Ansatzsensor. Die Steifigkeit der Verbindung ergibt sich aus dem Quotienten von Kraft je Fügestelle und der Größe der gemessenen Relativverschiebung.
Für nichtsymmetrische Blechpaarungen wurde der 3-Punkt-Verdrehversuch untersucht. Hier werden drei Fügestellen gleichmäßig durch Scherzug belastet. Die Messung der Relativverschiebung erfolgt auf dem Fügekreis mit einem Ansatzsensor. Die Steifigkeit der Verbindung ergibt sich aus dem Quotienten von wirkendem Moment und der Anzahl der Fügestellen, dem Fugekreisradius sowie der gemessenen Relativverschiebung.
Ein Vergleich der Kraft-Relativverschiebungsverläufe für gleichartige Blechverbindungen, die mit der 2-Punkt-Scherzugprobe und der 3-Punkt-Verdrehprobe ermittelt wurden, zeigt gleiche Ergebnisse. Bei der Untersuchung verschiedener Fügearten wurde festgestellt, dass die Relativverschiebung sehr sensibel das Steifigkeitsverhalten spezifischer Feinheiten der Fügstellen wiedergeben kann. Eine Feinsimulation der Probenbelastung unterstützte die Interpretation des experimentell ermittelten Steifigkeitsverhaltens und die Definition der Eigenschaften der FE-Ersatzmodelle für die Fügestellen.
Ziele der FE-Simulation der Belastung bauteilähnlicher Proben waren, geeignete Varianten für die Darstellung der Fügepunkte durch FE-Ersatzelemente in größeren Berechnungsmodellen zu finden sowie die experimentell ermittelten Steifgkeitskennwerte zu validieren. Das im Projekt entwickelte FE-Ersatzelement integriert lediglich sechs Freiheitsgrade pro Fügestelle in das Gesamtmodell und kann das komplette Trag- und Versagensverhalten der Fügestelle in sehr guter Übereinstimmung mit dem experimentell ermittelten Verhalten abbilden. Die Kalibrierung des Ersatzelementes erfolgt an dem vorab experimentell ermittelten Tragverhalten der Fügestellen. Als bauteilähnliche Probe wurde die H-Probe gewählt.
Im Ergebnis des Projektes stehen eine systematisch untersuchte Methode zur Ermittlung von statischen Steifigkeitskennwerten und eine Vorgehensweise für die Darstellung punktförmiger Fügestellen in der FE-Strukturberechnung zur Nutzung zur Verfügung.