Räumliche Kraftmessung und -regelung mit Parallelkinematiken unter Verwendung strukturintegrierter Kraftsensorik
Christian Friedrich
Die prozessaktuelle Messung von Kräften und Momenten zwischen Werkzeug und Werkstück ist zunehmend Voraussetzung für viele fertigungstechnische Anwendungen. Neben der Verwendung der Daten zur Prozessdiagnose und -überwachung sowie für Qualitätssicherung und -nachweis, werden durch geregelte bzw. adaptive Prozessführung bestimmte Prozesse oder Qualitäten überhaupt erst möglich oder wirtschaftlich. Mit dem erweiterten Bewegungsvermögen moderner Fertigungseinrichtungen wächst dabei auch der Bedarf zur Erfassung räumlicher Kräfte und Momente in bis zu 6 Freiheitsgraden. Großes Potenzial besteht in der Integration mehrerer einachsiger Kraftsensoren direkt in die Maschinenstruktur und der intelligenten Verarbeitung der Messsignale zu räumlichen Kräften und Momenten an der Wirkstelle. Insbesondere für parallele Stabstrukturen und Parallelkinematiken – und für die Messung mit 6 Freiheitsgraden speziell für Hexapodstrukturen und Hexapoden – ist der Ansatz aufgrund der nahezu reibungsfreien Messung vielversprechend. Gleichzeitig wirken jedoch prozess- und strukturbedingte Einflüsse auf die Kraftsensoren, die in Abhängigkeit der Sensorposition durch ein Messmodell kompensiert werden müssen. Für dynamische Messungen während der Maschinenbewegung müssen diese Messmodelle zwingend in Echtzeit im Steuerungskern berechnet werden und weiterhin durch ein Verfahren zur Parameteridentifikation schnell und einfach an der betriebsbereiten Maschine aktualisiert werden können. Diese Arbeit erforscht Möglichkeiten und Grenzen integrierter Kraftsensorik in starren Hexapodstrukturen und Hexapodkinematiken zur räumliche Prozesskraftmessung und -regelung an der Wirkstelle sowie die dazu notwendigen Messmodelle und Verfahren zur Parameteridentifikation. Für den Lösungsansatz kommen ausschließlich kostengünstige einachsige Standard-Kraftsensoren zum Einsatz, und die Validierung erfolgt auf Versuchsträgern mit kommerzieller Werkzeugmaschinensteuerung. Es werden systematisch mögliche Konfigurationen und Einbaupositionen identifiziert, die zugehörigen Messmodelle aufgestellt und Verfahren zur Auslegung und Berechnung aussagekräftiger Kenngrößen entwickelt. Anhand definierter Bewertungskriterien werden die Varianten in umfangreichen experimentellen Untersuchungen untereinander verglichen sowie zu den Standardlösungen der 6-Achs-Kraftmessplattform und der Kraftschätzung aus Antriebsströmen eingeordnet. Einen Schwerpunkt bildet die Messung während der Maschinenbewegung, bei der synchron zur Messung und abhängig von der Sensorplatzierung maschinen- und prozessbedingte Einflüsse online kompensiert werden müssen. Auf dieser Basis erfolgt anschließend die Entwicklung von Identifikationsverfahren zur schnellen und einfachen Parametrierung der Messmodelle an der betriebsbereiten Maschine durch automatisierbare Messzyklen. Schließlich werden mit den entwickelten Messsystemvarianten verschiedene Formen der Kraftregelung umgesetzt und die Ansätze so anwendungsnah validiert. Im Ergebnis liegen Methoden und Verfahren zur Aufstellung der Messmodelle, zur Auslegung der Kraftmesssysteme sowie zur Berechnung aussagekräftiger Kenngrößen vor. Zusammen mit der Validierung anhand verschiedener Anwendungsfälle wird ein Beitrag geleistet zur Qualifizierung der Unsicherheiten der räumlichen Kraftmessung mit integrierten Sensoren sowie der Auswirkung der Sensorintegration auf die Maschineneigenschaften. Die zwei entwickelten Verfahren zur Parameteridentifikation erlauben anhand der Kraftsignale aus quasi-statischen und dynamischen Eigenbewegungen der Maschine die schnelle Rekalibrierung der Messmodelle ohne Vorwissen oder Versuchsaufbauten in Bearbeitungspausen. Schließlich zeigen die zwei umgesetzten Varianten der räumlichen Kraftregelung die Eignung der strukturintegrierten Kraftmessung sowohl für das kraftgeregelte Teach-In als auch für die Kontaktkraftregelung.