Regionalisierung als Abkehr vom Fortschrittsdenken?
Zur Unvereinbarkeit von starker Nachhaltigkeit und klassischer Modernisierung
Gerolf Hanke
Dass Krisen zum Kapitalismus dazugehören, ja dass sie notwendig sind, um immer wieder neue Anpassungen des Systems zu ermöglichen, ist mittlerweile zur Binsenweisheit ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Theorie geworden. Aber gilt dies auch für die ökologische Krise, die sich unabhängig der medialen Aufmerksamkeitsschwankungen Jahr für Jahr bedrohlicher ausnimmt? Mit Klimawandel und Ressourcenverknappung stehen zusehends Probleme ins Haus, die grundsätzliche Fragen an das wirtschaftliche und kulturelle Modell westlicher Konsumgesellschaften aufwerfen. Und diese Frage bleiben nicht rhetorisch: mit dem sich abzeichnenden Ende der Ära billigen und leichtverfügbaren Erdöls („Peak Oil“) geht der sich globalisierenden Industriemoderne zusehends der Treibstoff aus. Der Steigerungslogik dieser auf Expansion ausgelegten Moderne und ihrem Verständnis von „Fortschritt“, das wird immer deutlicher, sind Grenzen gesetzt, die wir entweder rechtzeitig zu akzeptieren und unseren Lebensstil entsprechend – by design – anzupassen haben; oder die wir alsbald und weitaus schmerzlicher – by desaster – aufgezeigt bekommen werden.
Als Designvorschlag bietet Gerolf Hanke die Orientierung auf eine stärker regional ausgerichtete Wirtschafts- und Lebensform an. Als deren Bausteine skizziert er Ernährungssouveränität, Energieautonomie, Währungsautonomie und die Selbstverwaltung von Allmendegütern. Plausibel zeigt er auf, dass der Umbau zu einer Regionalökonomie weniger mit technischen als mit sozialen Innovationen einhergeht; und dass solche Regionalisierungsprozesse nicht nur nötig sondern auch attraktiv genug sind, um die nicht-nachhaltigen Leitbilder von Fortschritt durch Steigerung und Expansion zu überwinden. Nicht aufgrund intellektueller Einsicht, sondern vermittels alltäglicher Praxis. Denn die gelebte weil notwendige Selbstbegrenzung in einer Regionalökonomie, die quantitative und qualitative Änderung des Konsumverhaltens, die Erfahrung gemeinschaftlicher Produktion und die neue Übersichtlichkeit ökonomischer und sozialer Strukturen ermöglichen die Lösung von den Denkstrukturen der Moderne.