Rhetorik des Lachens und Diätetik in Boccaccios „Decameron“.
Béatrice Jakobs
Ein Autor vollendet seine Sammlung vergnüglicher Geschichten und veröffentlicht diese, als die Pest in weiten Teilen Europas Angst und Schrecken verbreitet: Schnell ist man geneigt, die Publikation des »Decameron« zu Pestzeiten auf die Gleichgültigkeit eines erfolgshungrigen Autors zurückzuführen und zu verurteilen. Daß diese Erklärung jedoch zu kurz greift, die Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt im Gegenteil wohl überlegt war und sich in der Konzeption des Werkes deutlich niederschlägt, ist zentrales Thema dieser Studie. Ausgehend von der im Proemio geäußerten Intention des Autors, er wolle mit seinem Werk »alcuna malinconia« vertreiben, wird gezeigt, daß das »Decameron« als remedium wider die Melancholie angelegt ist, das sowohl in bezug auf die Gestaltung des Rahmens als auch in der Auswahl der Novellen auf medizinischer Grundlage beruht und als solches bei den Ärzten ebenso wie bei durch die Epidemie sensibilisierten Laien wohlwollende Aufnahme finden konnte. Des weiteren wird nachgewiesen, daß Boccaccio Ciceros Theorie des ridiculum als latentes Ordnungskriterium der Sammlung wählte und sich somit auch die Anerkennung seitens der Humanisten sicherte.
Daß die beiden Aspekte – Diätetik als Kunst des gesunden Lebens und Rhetorik – für den Erfolg des Werkes tatsächlich maßgeblich waren, zeigt sich auch in den Rezeptionsformen der Sammlung, die abschließend beleuchtet werden. Ausgehend von einer Analyse des theoretischen Schrifttums von Philosophen und »Theologen« sowie des Raumes, den die Menschen dem Lachen und Lachen Machen im täglichen Leben einräumen, wird der hohe Stellenwert des Lachens herausgestellt, dem auch die Kirche als kritische Instanz nichts entgegenzusetzen wußte.