»Schon liefert meine Muse mir mit süßlicher Stimme ihr Thema; es lautet: Mensch ohne Leib, sowie Leib ohne Mensch«
Zu einer ›Poetik der Körperlichkeit‹ in Konrad Merz’ (un)veröffentlichtem Nachkriegswerk
Laura John
Konrad Merz, 1908 als Kurt Lehmann in Berlin geboren, ist ein bisher kaum beachteter Exilschriftsteller jüdischer Herkunft. Nach seiner Flucht ins niederländische Exil erreicht er dort 1936 mit dem Roman Ein Mensch fällt aus Deutschland einen ersten Erfolg, den er aber unter der nationalsozialistischen Besatzung nicht fortführen kann. Die Jahre 1940 bis 1945 überlebt er versteckt. Erst ab 1972 tritt Merz – inzwischen hat er sich eine physiotherapeutische Karriere in den Niederlanden aufgebaut – mit grotesken Kurzgeschichten ›aus der Masseurspraxis‹ wieder literarisch in Erscheinung. Das autofiktional angelegte Nachkriegswerk ist dabei maßgeblich durch die Berufswahl geprägt: In einer ›Poetik der Körperlichkeit‹ fungiert der Körper als ›Übersetzungsinstrument‹ und Metapher der Erinnerung an psychische Traumatisierungen – zumeist begründet in den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Untersucht und literaturhistorisch eingeordnet werden die literarischen Strategien der grotesken Gestaltung von Körperlichkeit in Merz’ Œuvre. Zugleich wird die poetologische Bedeutung der dem Werk immanenten Parallelführung von Physiotherapie und Kunst – auch unter Rückgriff auf unveröffentlichte Texte und Nachlassdokumente – aufgeschlüsselt. Sucht Merz’ Literatur, geprägt von der Frage nach der Möglichkeit einer ›Literatur nach 1945‹, den adäquaten Umgang mit dem Erlebten, so will die vorliegende Publikation einen Beitrag leisten, den zu wenig gewürdigten Schriftsteller dem Publikum und der Kritik in Erinnerung zu rufen.