Schriftliches Erzählen in der Zweitsprache
Werner Knapp
Warum haben viele Migrantenkinder, die in Deutschland eingeschult wurden, in der Sekundarstufe I noch erhebliche Schwierigkeiten in der deutschen Sprache? Warum beherrschen sie insbesondere die Schriftsprache nur lückenhaft? Was ihnen mangelt – vor allem im Vegleich zu deutschen Kindern derselben Altersstufe – ist eine hinreichend ausgebildete Text- und Erzählkompetenz; ihre Formulierungsfähigkeit hingegen ist besser entwickelt. Gerade das Umgekehrte gilt für Kinder aus Sprachminderheiten, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben: aus der Erstsprache bringen sie eine gewisse Text- und Erzählkompetenz mit; ihre Formulierungsfähigkeit in der Zweitsprache ist jedoch noch wenig ausgebildet. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der vorliegende empirischen Arbeit, in der untersucht wird, wie Migrantenkinder der 5. und 6. Klasse in der Hauptschule eine schriftliche Erzählung – eine Phantasieerzählung – verfassen. Mit textlinguistischen Verfahren werden die narrative Struktur der Texte, die Herstellung von Referenzbeziehungen in den Texten und die Verwendung typischer sprachlicher Mittel des Erzählens analysiert.