Selbstfremdheit
Elemente einer anderen Kunstpädagogik
Joachim Kettel
Gegenwärtige Kunstpädagogik ist noch immer durch Reduktion und Stillstellung des Subjekts gegenüber sich und seinen ästhetisch-künstlerischen Lerngegenständen geprägt, die weitestgehend abstrakt-rationalistisch, analytisch und unverbunden vermittelt werden. Das vielfältig gebrochene und wechselvolle Verhältnis des Subjekts zu seiner Um- und Mitwelt wird hier durch formalisierte, standardisierte und durch simple Reproduktion oder reine Kognition geprägte Operationalisierungen, Prozeduren und Technologien auf eine überkommene Subjekt-Objekt-Dichotomie reduziert.Eine Kunstpädagogik der Selbstreferenz bekennt sich eindeutig zur Kunst, wobei nicht die Reproduktion des immer schon Bekannten, Identischen hier die Arbeit an sich und mit der Kunst ausmacht. Erst durch die intensive ästhetisch-künstlerische Selbstaussetzung, die mit Prozessen der Offenheit, Unabgeschlossenheit und Unsicherheit arbeitet, wird das Subjekt in weitgehend selbstorganisierten, selbstgesteuerten, experimentellen und handlungsorientierten Prozessen mit dem Fremden, Anderen der Kunst, der Lebenswelt und seiner Selbst, mit dem Nichtidentischen konfrontiert. Zeit, Ort und Leib werden hier nun zu Knotenpunkten einer anderen Kunstpädagogik, die sich auch neuesten Erkenntnissen aus Ästhetik, historischer Anthropologie, Kognitionsforschung, Neurobiologie, Systemforschung und Konstruktivismus öffnet und diese mit avancierten Modellen aktueller kunstpädagogischer Vermittlungsarbeit (Selle, Stielow u. a.) verbindet.