Senecas «epistulae morales» als philosophisches Kunstwerk
Beat Schönegg
Die gelten als Hauptwerk des römischen Philosophen und Politikers Lucius Annaeus Seneca. Die vorliegende Arbeit beleuchtet den künstlerisch-literarisch-biographischen Aspekt dieses philosophischen Werkes, fragt nach der Vermittelbarkeit philosophischen Könnens und sucht die gemeinsamen Wurzeln von Philosophie und Literatur. Seneca ist Philosoph Künstler, Pädagoge Literat, Politiker Philosoph. Nicht nur im Leben, auch im philosophischen Denken schafft er aus Gegensätzen paradoxe Einheiten, er übersteigt hierarchische Ebenen, strebt nach Synthese und Praxis und sucht die Einheit korrelierender Gegensätze auf höherem denkerischen Niveau: Ursache und Wirkung, Subjekt und Objekt, Autor und Werk fallen zusammen. Hierin besitzt der Pragmatiker Seneca einen ausgeprägten Sinn für Metaphysik und Mystik. Dabei stösst sein Verlangen nach transzendenten Philosophemen (Platonismus) an die Grenzen dessen, was die stoische Philosophie mit ihrer ausgesprochenen Immanenz und Diesseitsbezogenheit zulässt.