Sichtweisen in der Märchenforschung
Siegfried Neumann, Christoph Schmitt
Was verbindet den Märchenvogel Phönix mit dem antiken Mythos, wie haben Märchen aus Tausendundeine Nacht die mündliche Erzähltradition in Europa geprägt, und was ist aus den Grimm´schen Märchen geworden, die deutsche Auswanderer in ihrem Gepäck nach Chile brachten? In diesem Sammelband begegnen sich Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen mit Fallstudien, die sämtlich auf das Märchen gemünzt sind. Sie disparat die behandelten Beispiele sind, so genügen sie sich nicht selbst, sondern wollen dem Leser grundsätzliche Horizonte eröffnen. Schon die sammelnden und edierende Folkloristik des 19. Jahrhunderts, mit der die internationale Erzählforschung begann, regte mit ihren Texten anthropologischen und kulturgeschichtliche Fragen an, auch wenn die junge Disziplin diese vielfach noch nicht beantworten konnte. Je grundsätzlicher aber die Fragestellung ist, umso schwieriger wird ihre Beantwortung. Das Volksmärchen als „Einfache Form“ bietet sich aufgrund seiner verdichteten Struktur und Erzählweise dazu an, wesentlich Aspekte des Erzählens, seiner Inhalte, Formen und Wirkungsweisen, sichtbar zu machen. Daher dient das Märchen in den Kultur- und Geisteswissenschaften, in Pädagogik und Psychologie oder etwa in den Medienwissenschaften als Quelle und Anschauungsmodell für Fragestellungen grundsätzlicher Natur.