Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder
aus der Sammlung Simon Gottlieb Brandsch
Simon Gottlieb Brandsch, Nina Cassian, Anselm Roth, Hans Peter Türk
Simon Gottlieb Brandsch war einer jener siebenbürgisch-sächsichen Theologen und Pädagogen, die sich auch mit außertheologischen und außerpädagogischen Themen befassten. Ihm haben siebenbürgische Geschichtsschreibung, Musikhistoriographie, Volkskunde, Brauchtumsforschung und Archivwesen viel zu verdanken.
Als Pfarrer und Lehrer war Brandsch nahe am Kulturleben und nahe an der bürgerlichen und bäuerlichen Bevölkerung. Ein großer Teil seiner Interessen galt der Musikausübung, der Musikgeschichte und der musikhistorischen Quellenforschung, der volkstümlichen Musikpflege, dem Volksgesang und dem Volkslied. Er setzte sich für die geistige, musikalische und religiöse Bildung der Jugend und der Allgemeinheit ein, förderte die Brauchtumspflege und den Liedgesang.
Sein umfangreiches schriftstellerisches Werk liegt leider nur in wenigen Bibliotheken Siebenbürgens, Deutschlands und Österreichs vor und ist weitgehend vergessen.
Für die praktische Liedpflege gab Brandsch mehrere Liederbücher für Schulen und Jugend heraus (Liederbuch für die Volksschulen; Liederbuch für die deutsche Jugend in Rumänien). Als Volksliedforscher erwarb er sich große Verdienste um die Aufzeichnung, Sammlung und kritische Herausgabe altsiebenbürgischer Volkslieder und des Volksliedrepertoires der letzten zwei Jahrhunderte. Ohne diese auch weit über Siebenbürgen hinaus bekannt gewordene Sammel- und Publikationstätigkeit, wäre das alte, zum Teil noch aus dem 12. Jahrhundert stammende und bis Ende des 19. Jahrhunderts im Volk lebendig gebliebene Volksliedgut – sicher nur ein Bruchteil des ursprünglichen – für immer verloren gewesen. So wurde es nicht nur vor dem Untergang bewahrt, sondern es erlebte in diesem „Zweiten Dasein“ eine neue Pflege und Verbreitung, wurde in Lieder- und Chorbücher – in Teilen auch in Deutschland – aufgenommen und von vielen Chören und Singgemeinschaften gesungen; die einschlägige Forschung und Wissenschaft brachte ihm großes Interesse entgegen.
Simon Gottlieb Brandsch wurde am 21. April 1872 in Mediasch (Siebenbürgen) geboren. Seine Vorfahren, mindestens bis in das 18. Jahrhundert zurückverfolgbar, waren alle Pfarrer in Siebenbürgen. Der früh verstorbene Vater Johann Carl Brandsch (1845-1894) war Lehrer in Mediasch, bevor er als Pfarrer zuerst nach Schaal, dann nach Bodendorf (Siebenbürgen) ging. Simon Gottlieb Brandsch besuchte das Gymnasium in Mediasch und studierte anschließend (von 1890 bis 1894) Theologie, Philosophie, Literaturgeschichte und antike Sprachen in Berlin, Jena, Leipzig und Klausenburg (Siebenbürgen), trieb daneben autodidaktisch auch musikalische Studien. Danach übernahm er Lehrtätigkeiten an Volks- und Bürgerschulen in den siebenbürgischen Städten Broos, Schäßburg und Mediasch. Seine jüngeren Geschwister – die Mutter, Josefine geb. Theil aus Mediasch, war ebenfalls früh gestorben – erfuhren durch ihn fürsorgliche Unterstützung und konnten so zu einer geeigneten Ausbildung kommen.
Von 1900 bis 1907 lehrte Simon Gottlieb Brandsch am evangelischen Landeskirchenseminar in Hermannstadt (Siebenbürgen) und wurde 1907 Pfarrer in Treppen (bei Bistritz), 1911 in Kleinscheuern (bei Hermannstadt) und 1924 in Schirkanyen (bei Fogarasch). 1905 gehörte er zu einer Forschergruppe, die in Luxemburg Untersuchungen zur Herkunftsfrage der Siebenbürger Sachsen anstellte. Zwischen 1911 und 1924 führte er in Kleinscheuern die ersten siebenbürgischen Volkshochschullehrgänge durch. In kinderloser Ehe – er hatte 1905 geheiratet – zog Brandsch mit seiner Frau Hedwig geb. Schuller aus Treppen, Pfarrerstochter und Krankenschwester, zwei Adoptivkinder und sechs Waisenkinder groß. Nachdem er 1936 in den Ruhestand getreten war – seine Frau war 1935 gestorben –, ging er 1939 als Leiter der Handschriftenabteilung an das Brukenthal-Museum nach Hermannstadt, wo er bis 1947 blieb, als der neue rumänische Staat die siebenbürgisch-sächsischen Kultureinrichtungen verbot oder sie verstaatlichte, rumänisierte und unter parteiideologischem Zwang zu reorganisieren begann. Brandsch starb nach kurzer Krankheit am 14. März 1959 in Hermannstadt, wo er auch (am 16. März) beigesetzt wurde. Bischof Friedrich Müller-Langenthal hielt die Grabrede.
Karl Teutsch