Signaturen kritischer Intellektualität
Else Lasker-Schülers Schauspiel "Arthur Aronymus"
Thomas Höfert
Klischiert und verharmlost: Die jüdische Autorin Else Lasker-Schüler (1869 Wuppertal-Elberfeld – 1945 Jerusalem) wurde zu einer exemplarischen ‚Versöhnungs‘-Ikone mythisiert und verniedlicht – auf dem „Jahrmarkt der Versöhnungen“ (Jakob Hessing), nach der Vernichtung der europäischen Juden.
Noch heute versperrt diese Fixierung den Blick auf die Texte und die Autorin.
Just unter den Tisch der ‚Versöhnung‘ fiel ihr Schauspiel aus dem Jahre 1932: „Arthur Aronymus und seine Väter (aus meines geliebten Vaters Kinderjahren)“.
Das Stigma der naiv-‚weltfremden‘ Gesinnung haftet an ihm bis heute. Vor den subversiven artistisch-intellektuellen Zügen verschloß die Wissenschaft der Nachkriegszeit und Gegenwart kollektiv die Augen.
Eine Relektüre zeigt, daß das Schauspiel – als ‚Biedermeier-Idylle‘ gänzlich verkannt und ‚entsorgt‘ – von einem scharf(sinnig)en unversöhnlichen Antisemitismus-Verständnis zeugt. Bereiche wie die gewaltsame (psychische) Aufladung der antisemitischen Ideologie, wie auch deren autoritäre Unterfütterung, werden – lange vor dem Schlagwort des ‚autoritären Charakters‘ – in szenischen Konstellationen klug anvisiert.
Ablesbar ist zugleich das Interesse der Autorin am Bereich des Unbewußten, an wissenschaftlicher Psychologie. Sigmund Freuds Traumdeutung blieb Else Lasker-Schüler, alias „Prinz Jussuf“, der „Traumdeuter“, nicht unbekannt; und auch Krankheitsgeschichten – sozusagen „meine medizinischen Dichtungen“ – bergen Nähe und Differenz zum medizinisch-psychiatrischen Diskurs, speziell zum wissenschaftlichen und kulturellen Hysterie-Diskurs, auf sehr eigensinnige Weise.
Begreifen lassen sich die leichtfüßigen 15 Schauspielszenen als Signaturen einer – erstaunlich lange unterschätzten – kritischen Intellektualität, die keinesfalls ins ernsthaft-pathetische (Theater-)Gewand sich schickt. (Weit eher werden dramatische Opferungsinszenierungen aus einer weiblichen Optik auseinandergeschrieben.)
Die – aufwendig verdichtete – dramatische Leichtigkeit der Textur-Oberfläche ist jenem Kennzeichen verpflichtet, das nur wenig Beachtung fand: der Lasker-Schülerschen Mixtur von ‚Ulk und Ernst‘, von Subtilität und Derbheit, die konzipiert ist im Medium einer spielerischen Intellektualität, gewissermaßen nach der Devise: „Die Else ist gar nicht außergewöhnlich dumm im Grunde.“