Skizzenbuch zwei
Zeichnungen aus den Jahren 2010 bis 2019
Florian Hugger, Thomas Rampp, Astrid Schön
Gestaltung ist eine der Kernkompetenzen des Architekten.
Diese Gestaltungskompetenz bedarf der intensiven Pflege und der ständigen Weiterentwicklung in Form der spezifischen Denk- und Ausdrucksmöglichkeiten des Architekten als Gestalter, als kreativem Schöpfer und Ideengeber. Das Gestalten muss zusammen mit der architektonischen Artikulation, der Zeichensprache als Kommunikationsform also, in enger Kombination verstanden werden. Dabei unterscheiden wir zwei grundsätzliche Arten des Zeichnens:
Die Analyse: Abbildendes Zeichnen, hier wird ein Objekt beim Abbilden verstehbar – es werden Informationsebenen einzeln oder in Gruppen entfernt und so werden Themen sichtbar, die im Objekt selbst enthalten, aber vielleicht nicht fassbar enthalten sind.
Die Synthese: Zeichnen als Planungsvorgang, hier werden im Zeichenprozess nach und nach Informationsebenen gefügt und überlagert. So entsteht ein zunehmend komplexes Zusammenspiel verschiedener Informationsebenen. Die Befähigung innerhalb des zeichnerischen Werks Reduktion, Abstraktion und Interpretation als Quelle der Kreativität, des Schöpferischen aufzuzeigen, ist dabei von zentraler Bedeutung. Es geht weniger um die Fähigkeit anspruchsvolle Architekturdarstellung als bloße technisch, handwerklich gestützte Verfeinerung zu beherrschen, sondern vielmehr darum, das Gestalten, das Handeln und Reagieren mit der Darstellung, also dem Kommunizieren über Architektur, zu verbinden. Das Kommunizieren mittels der Fachsprache dient dazu, Gestalten zu verstehen und dabei Denkimpulse zu erhalten, um neue Gestalten zu erschaffen. Alles Denken ist Reagieren auf vorangegangene Sinneseindrücke. Alle Denkimpulse kommen aus vorangegangenen Sinneswahrnehmungen und Erinnerungen.
Zeichnen ist Sinneswahrnehmung und damit Denkimpuls. Bei der zeichnerischen Suche nach Sinn und Machart erfahren wir eine Vielfalt von Interpretationsmöglichkeiten. Durch die Freiheit spielerischer, ungenauer Betrachtung interpretieren wir mit unserer relevanzgesteuerten Auswahl die Realität mit potenziell offenem Ausgang. Aus der Fülle des Wahrgenommenen beginnt unser darauf reagierendes Denken. Die offene, ungenaue, fragmentarische Zeichnung unterstützt uns dabei in unserer Einbildungskraft mit einer Art kreativer Kettenreaktion.
Zeichnen ist die Sprache des Architekten, die Zeichensprache seine Denksprache. Vom Philosophen Ludwig Wittgenstein stammt der Satz: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ und von der Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer: ,,Nicht der aufrechte Gang und Stock, um damit nach Nahrung zu graben oder zu kämpfen, machen den Menschen zum Menschen, sondern die Sprache“. Die Entwicklung der Sprache löste einen gewaltigen Kulturschub aus. Erst die Sprache erlaubte differenziertes Denken und nuanciertes Beschreiben dessen, was man dachte und fühlte, was man sah und wollte – schreibt Ulrich Wechsler und weiter: „Mit der Entwicklung der Sprache ist auch die Entwicklung des Intellekts verbunden, und es entstehen Fantasie, abstraktes Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, innere Bilder zu formen. Wenn Kinder lernen, aus ihrer Sicht Dinge selbst zu erzählen, dann gestalten sie die Welt nach ihren Eindrücken. Ohne die prägende Funktion der Sprache kann sich diese innere Welt kaum entwickeln und Gestalt erhalten.“ Hierbei wird deutlich, wie wichtig die enge Verknüpfung von architektonischer Darstellung und Gestaltung ist, um die kreative Suche als unmittelbare Folge der Analyse und Interpretation äuslösen zu können.