Soziales Handeln und Struktur der Herrschaft.
Max Webers verstehende historische Soziologie am Beispiel des Patrimonialismus.
Siegfried Hermes
Bei der verzweigten Rezeption des Werkes von Max Weber geriet der genuine Zusammenhang von soziologischer Mikro- und Makrostrukturanalyse (Handlungs- und Ordnungsebene), von methodischem und theoretischem Ansatz (Idealtypenlehre, Handlungstheorie und Rationalisierungsthese) zunehmend aus dem Blick.
Der Autor setzt sich zum Ziel, am Beispiel der traditionalen Herrschaftsform des politischen »Patrimonialismus« die Begriffsbildungsstrategie wie die handlungstheoretischen Implikationen der »verstehenden Soziologie« aus dem übergeordneten Forschungsinteresse Max Webers zu erklären: dem Rationalismus der okzidentalen Kultur. Webers Soziologie speist sich aus der soziologischen Umdeutung eines spezifisch juristischen Begriffsarsenals. Als erkenntnistheoretisches Fundament fungiert dabei ein Kulturbegriff, der über die religiös-philosophische Sinnproblematik das Weltverständnis und das Alltagshandeln des Wissenschaftlers wie, namentlich, der historischen Akteure erschließt. Weltanschauungsproduzenten aller Art (Zauberer, Priester, Propheten, Philosophen etc.) liefern so einen möglichen Schlüssel zur handlungstheoretischen Auflösung normativer Ordnungskomplexe. Die wechselnden Träger von Wissens-Monopolen bzw. -Oligopolen sind folglich in Webers kulturvergleichendem Ansatz ein wichtiger Erklärungsfaktor für den okzidentalen Rationalisierungsprozeß. Zur Paradoxie dieser Rationalisierung gehört freilich, daß die unpersönlichen Ordnungen der Moderne dem sinnverstehenden Zugriff unüberwindliche Schranken setzen. Deshalb interessiert hier die Auflösung der personalen Sinnstrukturen des Patrimonialismus nicht nur als Kausalfaktor in der Entwicklungsgeschichte des okzidentalen politischen Rationalismus, sondern zugleich als Grenze einer sinnverstehenden Analyse dieses Rationalismus.