Sozialunruhen in der Standesherrschaft Solms-Braunfels 1848
Jasmin Hähn
Die Deutsche Revolution von 1848/49 gilt gemeinhin als bürgerliche Revolution, in der die Bestrebungen demokratisch-nationalistisch gesinnter Kreise des Bürgertums auf einen deutschen Nationalstaat mit einem Parlament und einer Verfassung zielten. Parallel dazu erhob sich aber nahezu überall in Deutschland auch die Landbevölkerung, die durch Hungersnöte und Missernten gebeutelt war und eine Verbesserung ihrer Lebensverhält-nisse herbeiführen wollte.
Auch in der kleinen, im preußischen Kreis Wetzlar gelegenen Standesherrschaft Solms-Braunfels brachen im Frühjahr 1848 Unruhen aus. Sie hatten für die Bevölkerung spürbare Folgen und prägten die Verhältnisse in der Standesherrschaft nachhaltig. Der Fürst leistete auf einen Teil seiner angestammten Rechte und Privilegien Verzicht, die Aufständischen mussten zum Teil lange Haftstrafen hinnehmen, und das Verhältnis zwischen Herrschaft und Bevölkerung blieb auf lange Zeit belastet. Auch die Einwohner der Stadt Wetzlar waren von dem Konflikt betroffen, da sich die dortigen Demokraten aufseiten der Braunfelser Bauern engagierten. Diese Ereignisse sind heute beinahe vollständig in Vergessenheit geraten, und auch wissenschaftlich fanden sie bisher kaum Beachtung.
Diese Lücke wird durch die vorliegende Untersuchung geschlossen, indem sie die Ge-schehnisse in Solms-Braunfels umfassend aufarbeitet. Auf der Grundlage intensiver Quellenrecherchen in zahlreichen Archiven werden die Hintergründe und Ursachen des Aufstands ebenso untersucht wie dessen mittel- und unmittelbare Folgen. Das Geschehen wird exemplarisch in den größeren historischen Zusammenhang gestellt. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den aufständischen Gemeinden: Welche Beweggründe hatten sie? Wie koordinierten sie den Aufstand? Was haben sie schließlich erreicht und welche Konsequenzen mussten sie tragen? Der „Sturm auf Braunfels“ im März 1848, mehr als vergleichbare Agrarunruhen in den süddeutschen Standesherrschaften durch Emotionen geprägt, zeugt von den Anfängen einer „demokratischen“ Kultur auf dem Lande. Beson-ders aufschlussreich und als authentisches Zeitdokument wertvoll ist der Briefwechsel eines zur Festungshaft verurteilten aufständischen Bauern mit seiner Familie, der im Anhang transkribiert abgedruckt ist und ein trauriges Schicksal offenbart.