Sprachbiographie und Sprachstörung
Fallstudien zur Textproduktion bei hirnorganischen Erkrankungen
Doris Tophinke
Wer als Sprachwissenschaftler ein Gespräch mit sprachgestörten Personen führt. stellt unmittelbar fest, wie irritierend und herausfordernd dieses Phänomen ist. Das Erzählen ist verändert. die Persönlichkeit des Sprechers und die Form. in der er erzählt. stimmen nicht überein. das Erzählen hat aber nach wie vor keine zufällige Form. Die Interaktion ist konfliktreich. droht zusammenzubrechen. aber sie ist, von extremen Fällen abgesehen. möglich. Einige der Schwierigkeiten. die auftreten. Wortfindungsstörungen. lexikalische Fehlwahlen u.ä.. sind einem selbst nicht unbekannt. Man hat sie schon an sich selbst erlebt und auf Befindlichkeiten wie Müdigkeit oder Streßzurückgeführt; jetzt stehen sie aufgrund der als ursächlich angesetzten hirnorganischen Erkrankung in einem pathologischen Kontext. In dieser unmittelbaren Erfahrung erscheint vieles verändert. doch entzieht es sich einer eindeutigen Bestimmung. Kategorien wie „pathologisch“ und „nicht pathologisch“ greifen allenfalls im Hinblick auf die medizinisch diagnosti zierte Erkrankung. Aphasiologie und Neurolinguistik definieren die Sprachstörungen mittels experimentell-quantitativer. naturwissenschaftlich orientierter Analyseverfah ren. Auf diese Weise erreichen sie eine eindeutige Grenzziehung zwischen dem Pathologischen und dem Nichtpathologischen. Doch umgehen sie die Ebene der Alltagserfahrung. Das Phänomen „Sprachstörunq“ interessiert vor allem und zuallererst in der Perspektive auf das Sprachsystem. Es geht um die Bestimmung sprachsystematischer Störungen. Alle weiteren Frage stellungen sind nachgeordnete Anschlußfragestellungen.