St. Aurelius – St. Peter und Paul
Geometrie und Symbolik der beiden romanischen Klosterkirchen in Hirsau
Stefan Wintermantel
Wenn die Hirsauer Klosterruine noch heute die Besucher in ihren Bann zieht, dann liegt dies nicht zuletzt an den beeindruckenden Ausmaßen der ehemaligen Klosterkirche. Als sie am 2. Mai 1091 den Aposteln Petrus und Paulus geweiht wurde, gehörte sie zu den größten Kirchen Deutschlands. Sie ist das materielle Zeugnis des großen Erfolgs der Klosterreform Abt Wilhelms, der sich in jungen Jahren auf dem Gebiet der Musik und Astronomie auch als Wissenschaftler einen Namen gemacht hatte. Durch eine Analyse des Grundrisses der Kirchenruine lässt sich das geometrische Planungskonzept der Kirche Wilhelms erschließen. Dazu ist es erforderlich, das bei ihrem Bau verwendete Werkmaß zu entschlüsseln. Es zeigt sich, dass sich die Grundrissplanung nach Symbolzahlen richtete. Kirchen galten als Abbild des in der Johannesoffenbarung verheißenen Himmlischen Jerusalem, und eine dieser Symbolzahlen – 144- weist ebenfalls auf die heilige Stadt des Johannes.
Etwas im Schatten der Klosterruine steht die Aureliuskirche, die ältere der beiden romanischen Kirchen Hirsaus. Nicht ganz zu Recht, denn bei ihr ist im Gegensatz zur Peter-und- Pauls-Kirche das Kirchenschiff erhalten geblieben und wird heute wieder gottesdienstlich genutzt. Die verlorenen Kirchenteile können nach dem Befund archäologischer Ausgrabungen rekonstruiert werden. Auch für die Aureliuskirche lässt sich ein klares geometrisches Planungskonzept nachweisen.
An der Nordwestecke der Ruine der Peter-und- Pauls-Kirche ist durch glückliche Umstände der durch seinen Figurenfries berühmte Eulenturm aus der Zeit um 1120 der Zerstörung entgangen. er bildet den dritten thematischen Schwerpunkt des Buches. Die rätselhaften Reliefs – bärtige Männer, gehörnte Tiere, Löwen, ein Rad und eine kleine menschliche Gestalt- haben in der Vergangenheit ganz unterschiedliche Interpretationen erfahren. Entscheidende Hinweise zur Deutung der Symbolik des Figurenfrieses liefert der Physiologus, eine religiöse Naturlehre aus dem frühen 2. Jahrhundert, die im Umkreis von Hirsau nachweislich besondere Wertschätzung genoss.