Stick- und Knüpfmuster ruthenischer Flüchtlinge im Ersten Weltkrieg
Aus der Sammlung des Volkskundemuseums Wien
Kathrin Pallestrang, Julie Thorpe
Im Jahr 1921 wurden rund 500 bestickte und teilweise mit Glasperlen geknüpfte, kleine Musterflecke als „ruthenische Frauenarbeiten“ in die Sammlungen des Volkskundemuseums aufgenommen. Die Herstellerinnen der Stücke kamen aus Orten in Galizien, also aus der heutigen Ukraine und dem heutigen Polen, und waren Anfang des Ersten Weltkriegs in Flüchtlingslagern interniert, wo die Musterstücke entstanden. In der Ausstellung „Die Kriegshilfe. Kunst, Gewerbe und Industrie im Dienst der Kriegshilfe“ wurden diese 1915 neben anderen Erzeugnissen und Fotos gezeigt. Die Propagandaschau des k.k. Ministerium des Innern sollte der Öffentlichkeit beweisen, wie gut und umfassend die große Zahl an Flüchtlingen durch den Staat betreut werde. Der vorliegende Band bietet eine Analyse der damaligen Präsentation. Er befasst sich vor dem Hintergrund der Entstehung von Volkskunst mit der Rolle von textilen Arbeiten in Nationsbildungsprozessen und geht dabei besonders auf die „Ruthenen“ ein, wie jene Bevölkerungsgruppen, die ostslawische Sprachen oder Dialekte verwendeten, in der Habsburgermonarchie gesammelt bezeichnet wurden.