Symbole der Altsteinzeit: Pränatalpsychologie der künstlerischen Ursprünge
Ralph Frenken
Die frühesten Bilder und Kunstwerke der Menschheit faszinieren uns Heutige seit ihrer Entdeckung. Die Wirkung dieser komplexen Kunst ist überwältigend: So wurde etwa die Höhle von Lascaux als Sixtinische Kapelle der Steinzeit bezeichnet. Forscher sahen die steinzeitlichen Bilderhöhlen als Heiligtümer an, in denen der Mensch Kunst und Religion erfand. Was läßt sich über die psychischen Vorgänge aussagen, die mit diesen kreativen Äußerungen verbunden waren? Das vorliegende Buch entwickelt Antwortversuche unter Verwendung von Ansätzen aus der Pränatalpsychologie, der Tiefenpsychologie und der Objektbeziehungstheorie. Die empirischen Ergebnisse beruhen auf ausführlichen bildhermeneutischen Untersuchungen altsteinzeitlicher Kunstwerke.
Ausgangspunkt ist die Annahme, dass jeder Mensch in seiner eigenen pränatalen Vorzeit Erfahrungen macht, die in seinen Träumen, Phantasien und in seiner Kunst wiedergefunden werden können. Diese frühen Erfahrungen prägen unser Unbewußtes. Anhand des Vergleichs zahlreicher Kunstwerke aus der Altsteinzeit wird gezeigt, dass bestimmte visuelle Aspekte dieser Symbolbilder aus der pränatalen Zeit stammen könnten. Unbewußte Phantasien fließen in den künstlerischen Prozeß ein und gestalten das entstehende Bild mit. Die frühe tastende Erfahrung von Nabelschnur und Plazenta spielt bei diesem komplexen Erinnerungsprozeß eine zentrale Rolle. Aber auch die Übertragung von Eltern-Bildern auf die ängstigenden Tiere der Vorzeit und deren Abbildung wird erkennbar.
Der pränatalpsychologische Ansatz wirft ein Licht auf die unbewußten Aspekte der frühesten Kunst der Menschheit, auf die Symbolik zahlreicher Gestaltungen und der Farbe Rot, auf Phantasien und Bilder von großen, mächtigen Tieren, auf die wellenlinienförmigen Dekorationen zahlreicher Kunstwerke und vor allem auf die weibliche Symbolik von Höhle und Höhleneingang.