Symptome der Moderne
Juden und Queers im Wien des späten 20. Jahrhunderts
Matti Bunzl
Matti Bunzls vergleichende Studie offenbart zahlreiche strukturelle Konvergenzen in der Entwicklung von Juden und Queers im Wien des späten 20. Jahrhunderts. Als ‚Symptome der Moderne‘ waren Juden und Homosexuelle bereits gegen Ende des 19. Jh. als Andere identifiziert worden und hatten dem Konzept eines als ethnisch und sexuell ‚rein‘ imaginierten Nationalstaats Kohärenz verliehen. Auch wenn das Ende des Zweiten Weltkriegs der systematischen Auslöschung von Juden und Homosexuellen im Holocaust ein Ende bereitete, so setzte sich die Logik der Ausgrenzung doch auch in der österreichischen Nachkriegsrepublik fort; nach wie vor wurden die ‚Symptome der Moderne‘ diskriminiert und aus der nationalen Gemeinschaft ausgeschlossen. Erst in den 1970er Jahren begann eine jüngere Generation von Juden und Queers, ihre jeweilige Marginalisierung zu bekämpfen und sich der Öffentlichkeit ins Bewußtsein zu bringen; spätestens seit den 1990er Jahren sind die Anzeichen jüdischer und schwul/lesbischer Differenz integraler Bestandteil gelebter Stadtwirklichkeit. Symptome der Moderne behandelt diesen radikalen kulturellen Wandel im Kontext einer umfassenderen mitteleuropäischen Moderne und führt ihn auf geopolitische Veränderungen wie auf das Auftreten eines ‚postmodern‘ geprägten neuen Europa zurück.