Tagebücher 1862–1897
Johanna Renate Döring-Smirnov, Rosemarie Tietze, Sofja Andrejewna Tolstaja
Der erste Band umfaßt die Zeit von 1862–1897. Der Anlaß für die damals 18jährige Sofja A. Tolstaja, vom Beginn ihrer Ehe im Jahr 1862 an Tagebuch zu führen, war das für sie traumatische Erlebnis der Lektüre von Tolstois Tagebüchern, die sie über seine »ausschweifende Vergangenheit« in Kenntnis setzten. Dieses Trauma führte bei der sonst resoluten und praktisch denkenden Frau zu einer fast krankhaften Eifersucht, zu Anfällen von Mutlosigkeit und Depression. Dennoch gibt es in dieser Ehe über Jahre hinweg eine Zeit des Glücks und der Zufriedenheit. Die Romane ›Krieg und Frieden‹ und ›Anna Karenina‹ entstehen in enger Mitarbeit der Tolstaja. Als Tolstoi sich 1880 radikal einer asketischen Lebensweise zuwendet und die Verwaltung des Gutes sowie die Sorge um die Familie ganz und gar seiner Frau überläßt, kommt es zu ersten Auseinandersetzungen und zur zunehmenden Entfremdung.
Die Tagebücher von Sofja Andrejewna Tolstaja sind nicht nur eine bedeutende Ergänzung zu den Werken Tolstois, sondern sind auch von hohem kulturgeschichtlichen Interesse als Sittenbild adeligen Lebens wie als Beitrag zur russischen Geistesgeschichte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Vor allem aber gewähren sie Einblick in die Höhen und Tiefen einer 48 Jahre währenden Ehe und in die Privatsphäre eines großen Dichters und seiner Familie.
(Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)