Tausend Worte um das Eine
Teishos aus zwei Jahrzehnten Lehrtätigkeit im Zen
Uta Dreisbach
In den Anfangsjahren meiner Zenübung hatte ich die Chance, meinem Lehrer Willigis Jäger in seinen Sesshin zu assistieren. Zu dieser Aufgabe gehörte auch, die Schüler zum Dokusan zu holen, täglich eine schier nicht enden wollende Reihe von Wartenden. Eines Abends fragte ich ihn: „Sag mal, Willigis, wie schaffst du das, jeden Tag in so knapper Zeit so viele Menschen?“ „Wieso?“, antwortete er schmunzelnd. „Es ist doch immer nur der eine da.“ Damals erfasste ich nicht im Entferntesten den Gehalt dieser Antwort. Heute, nach Jahrzehnten, ist er in den Titel dieses Buches eingeflossen. Ob beim Sitzen auf dem Kissen, im Dokusan oder im Teisho – es geht tatsächlich immer um den Einen, um das Eine. Hier sind neunundvierzig Beispiele zusammengestellt, wie ich im täglichen Teisho meiner Sesshin versucht habe, das Eine aufblitzen zu lassen. Es bleibt davon unberührt, ungreifbar, namenlos, unsichtbar, nicht wahrnehmbar für Ohren und erst recht nicht für den Verstand. Deshalb erhoffe sich niemand, Es in diesem Buch zu finden. Wenn es geschieht, dann geschieht es einfach, so wie eine Sufi-Weisheit sagt: „Es geschieht, wenn es geschieht. Wenn es nicht geschieht, ist das nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste.“