Tessin – Die italienische Schweiz
Heft 43 / Frühjahr 2007
Thomas Bremer, Titus Heydenreich
Der Tessin – das war eine lange Zeit hindurch ein mythischer Ort, zunächst für die deutsche Alternativkultur ab 1900, dann für die deutschen Urlauber nach 1950. In den letzten Jahren ist es um die ‚italienische‘ (weil italienischsprachige) Schweiz etwas ruhiger geworden – Grund genug für Zibaldone, der kulturellen Entwicklung im nördlichen Grenzland Italiens genauer (und auch etwas anders als in Reiseführern) nachzugehen. Dabei zeigt sich, wie arm der Kanton ursprünglich war, aus dem noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Einwohner als ‹Wirtschaftsflüchtlinge› nach Lateinamerika auswanderten. Mit dem frühen 20. Jahrhundert verbindet sich die zentrale Rolle des Monte Verità bei Ascona für die ganze europäische Tradition alternativer Kulturbewegungen; Harald Szeemanns legendäre Ausstellung hat in den siebziger Jahren daran erinnert. Und während der Jahre des italienischen Faschismus (der bekanntlich doppelt so lange dauerte wie der deutsche) war gerade der Tessin ein zentraler Zufluchtsort für in Italien selbst verfolgte oder nicht zu Wort kommende Intellektuelle. Unser Heft versucht, diese Erinnerungslinien mit einigen Aspekten der jüngeren Entwicklung der Tessiner Kultur zu verbinden und so ein kulturelles Panorama der italienischen Kulturentwicklung außerhalb Italiens nachzuzeichnen.