Theater am Nullpunkt
Penthesileas illokutionärer Selbstmord bei Kleist und Jelinek
Simon Aeberhard
Von den medialen Zumutungen, die Kleist mit seinem ‚unsichtbaren Theater‘ der Nachwelt hinterlassen hat, bildet Penthesilea zweifellos den unverdaulichsten Brocken. Die ästhetische Militanz dieses Stücks gipfelt in der Gnadenlosigkeit, mit welcher der Suizid der Titelheldin behauptet wird: Jeder Leseversuch des Selbstmordmonologs hat sich der Frage zu stellen, was es heißt, einen suizidalen Sprechakt zu verkörpern, wenn die Bedingungen einer gelingenden Verkörperung gleichzeitig diejenigen der Entleibung sind. An diesem Vorgang ist letztlich mehr Anstoß zu nehmen als an den mittels Mauerschau oder Botenbericht geschilderten Kriegs- und Sexualverbrechen. Was das Kleist-Publikum sieht oder liest, wenn es ans Ende des 24. Auftritts gelangt, beruht auf der Durchstreichung seiner eigenen Leistung: der Leistung, das Leben und den Fall PENTHESILEAS zuallererst sprachlich gezeugt, nämlich aus dem ontologischen Abseits des Textes heraus, als wirkliche und wirkende Existenz vor Augen gestellt zu haben. Die vorliegende Studie kombiniert diskursgeschichtliche und sprachanalytische, medien- und kommunikationstheoretische sowie theater- und literaturwissenschaftliche Fragestellungen und konzentriert sie auf die Selbstmordrede PENTHESILEAS, die nicht nur bei Kleist, sondern auch bei Elfriede Jelinek, in deren ›postdramatischem Theater‹ auftaucht.