Todestrieb und Erkenntnis
Massimo Fagioli, Anna Homberg, Cecilia Iannaco, Antonio Marinelli
Als der römische Psychiater Massimo Fagioli dieses
Buch 1970 als Abschluß seiner psychoanalytischen Ausbildung
vorlegte, wußte er, daß die in ihm enthaltenen
Traumdeutungen Aufsehen erregen würden. Er konnte
aber nicht ahnen, daß es die italienische Kultur weit
über Fachkreise hinaus beeinflussen und, wie La Stampa
im Mai 2010 schrieb, heute, vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung,
als Meisterwerk zu gelten hat.
Fagioli, der die letzten Jahre seiner Kindheit im Krieg als
Kurier der italienischen Partisanen verbrachte, in Venedig
und Padua zum Psychiater ausgebildet wurde und
danach in der Schweiz eine ‚Therapeutische Gemeinschaft
‚ für Psychosepatienten an Ludwig Binswangers
Klinik leitete, entwirft in diesem Buch ein innovatives
Gesamtkonzept der Behandlung psychischer Krankheiten,
nach dem mittlerweile zahlreiche italienische
Psychiater und Psychologen erfolgreich arbeiten. Zentral
für dieses neue therapeutische Paradigma ist eine
kohärente Deutung unbewußter Beziehungs dynamik,
im besonderen der Triebreaktion des Patienten auf
jegliche Form von Abwesenheit: der sogenannten Verschwindensphantasie,
die als Todestrieb zu Gefühllosigkeit
und innerer Leere führen kann oder, wie es Michael
Ende in seiner teilweise an Fagiolis Buch angelehnten
Unendlichen Geschichte ausdrückte, zum Nichts.
Ausgehend von der Entdeckung der Verschwindensphantasie
entsteht in den fünf Kapiteln des Buches eine
revolutionäre Sicht des menschlichen Ichs, des Unbewußten
und der psychischen Entwicklung im ersten
Lebensjahr. Mit seiner Theorie der menschlichen Geburt
geht Fagioli dabei weit über die bekannten Überlegungen
zum Geburtstrauma hinaus. Seine These, daß die
menschliche Psyche im Zusammenwirken von intrauteriner
Biologie und Triebreaktion auf die Umweltreize
im Moment der Geburt entsteht, hat das Buch zu einem
wesentlichen Element in der augenblicklichen bioethischen Debatte in Italien gemacht und die immer schon
bestehende politische Dimension von Fagiolis Theorie
deutlich hervorgehoben.
Aus dem Inhalt:
Die Verschwindensphantasie / Verschwindensphantasie
und Todestrieb / Verschwindensphantasie und orale
Ambivalenz. Neugier und Affektivität / Verschwindensphantasie
und Neid / Projektion und Intuition
Buchveröffentlichungen von Massimo Fagioli u.a.:
Istinto di morte e conoscenza (1972), 13. Aufl. 2010
La marionetta e il burattino (1974), 9. Aufl. 2007
Teoria della nascita e castrazione umana (1975), 9. Auflage
2008
Bambino donna e trasformazione dell’uomo (1980), 7. Auflage
2007