Unzeitgemäße Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben.
Axel Grube, Friedrich Nietzsche
Aus der Kritik am erstarrten Historismus seiner Zeit, entwickelt Nietzsche die Vorstellung eines lebensvollen Ausgleichs zwischen Rückblick, Gegenwart und Voraussicht. Aus der Unterscheidung einer „monumentalischen”, „antiquarischen” und „kritischen” Historie entwickelt er die Vorstellung einer Balance, die dem Leben d.h. einer lebendigen Kunst, Kultur und Bildung gerecht werden kann. Seine besondere Kritik richtet er gegen die Anmaßung der Hegel´schen Geschichtsphilosophie. Gegen die grobe Brutalität einer alles sanktionierenden Maschine des prozessierenden Weltgeistes, stellt er – wie auch sein Zeitgenosse Kierkegaard – den unbedingt Einzelnen. Das Individuum ist bei Nietzsche aber zugleich auch Dividuum. Mit dem Verweis auf früheste hellenische Quellen, etwa das „Erkenne dich selbst” des delphischen Heiligtums, bestätigt er den unhintergehbaren Schnittpunkt der historischen Balance: Den unbedingt Einzelnen und zugleich unendliche Teilhabenden, in Verantwortung wie Lebensfülle, in rationaler Bildung wie ›musikalischem‹ Gespür.