Verlegt ins Ungewisse
Die Evakuierung psychiatrischer Institutionen im deutsch-französischen Grenzraum zu Beginn des Zweiten Weltkrieges
Jasmin Nicklas
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im September 1939 mussten 600.000 Menschen aus dem Elsass und aus Lothringen sowie mehr als 500.000 Menschen aus den heutigen Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland das deutsch-französische Grenzgebiet verlassen. Die deutsche als auch die französische Regierung wiesen ihre eigene Bevölkerung an, sich ins Landesinnere zu begeben: Die Zivilbevölkerung sollte nicht durch die Kampfhandlungen gefährdet werden oder diese durch ihre Anwesenheit behindern. Der Evakuierungsbefehl galt gleichsam für die psychiatrischen Einrichtungen, die sich im Grenzraum befanden. Die Evakuierung der Psychiatriepatientinnen und -patienten war in zweifacher Hinsicht ein Sonderfall: Einerseits erfolgte ihre Verlegung mit der gesamten Institution, was eine besonders große organisatorische Herausforderung darstellte. Andererseits lebten Menschen mit psychischen Erkrankungen sowohl in Deutschland als auch in Frankreich isoliert von der übrigen Bevölkerung. In Deutschland verschlimmerte sich ihre Situation seit Hitlers Machtübernahme bis hin zum systematischen Massenmord durch das nationalsozialistische Regime.
Die Monografie „Verlegt ins Ungewisse“ vergleicht den Ablauf der Evakuierung von psychiatrischen Einrichtungen entlang der deutsch-französischen Grenze zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Darüber hinaus fragt die Autorin nach einem Zusammenhang zwischen der kriegsbedingten Evakuierung und der sogenannten Aktion T4. Diesem im Deutschen Reich vollzogenen systematischen Massenmord fielen im Zweiten Weltkrieg insgesamt 70.000 Insassen psychiatrischer und Pflegeeinrichtungen zum Opfer.