Vom „nationalen“ zum „sozialistischen“ Selbst
Zur Erfahrungsgeschichte deutscher Chemiker und Ingenieure im 20. Jahrhundert
Georg Wagner-Kyora
Für Techniker und Wissenschaftler aus der Chemieindustrie hatte der Übergang vom Nationalsozialismus zum SED-Regime besonders einschneidende Folgen. Auf der Grundlage politik- und mentalitätsgeschichtlicher Quellen und mit den Mitteln einer hermeneutischen Kollektivbiographik entfaltet das Buch ein Panorama des Akteurshandelns und der Erfahrungsgeschichte von Chemikern und Ingenieuren in den Industrieregionen Halle-Merseburg und Bitterfeld-Wolfen im Verlauf des „kurzen“ 20. Jahrhunderts.
Welche politischen Implikationen hatte ihre Tätigkeit in den größten Industriebetrieben der IG Farbeindustrie AG und den späteren volkseigenen Kombinaten? Wie konnten sich einige gegen politische Überformungen ihrer Berufe zur Wehr setzen? Und wie wurden andere zu Gehilfen diktatorischer Regime? War mit dem Generationswechsel in den 1960er Jahren auch ein Mentalitätswechsel verbunden oder behielten Akademiker im Großbetrieb ihren herkömmlichen bildungsbürgerlichen Habitus bei? Wie reflektierten sie über ihre soziale und politische Lage und über Geschichte? Welche Identifikationsstrategien führten sie zu unterschiedlich gelagerten Selbst- und Fremdbildern?