Von der Erzählung zum dramatischen Spiel
Wandlungen von Sprache und Gattung von Vergil bis in die Moderne
Christoph Kugelmeier, Peter Riemer
Angespornt durch den großen Erfolg der deutschen Erstaufführung von
Senecas Phaedra auf der Schauspielbühne des Saarländischen Staatstheaters
am 28. Mai 2013 entschloß sich die aus studentischer Initiative entstandene
Theatergruppe, die für dieses Projekt verantwortlich zeichnete,
schon sehr bald, ein neues Theaterprojekt anzugehen. Es sollte auf ein
Gebiet führen, dem man auf den ersten Blick vielleicht keine Theatertauglichkeit
bescheinigen möchte: das Epos. Zweifelsohne hat Vergil mit
seiner Aeneis ein Werk geschaffen, das Jahrhunderte überdauert hat und
noch ist, was es zur Zeit der Römer war: eine Schullektüre – sogar mehr
als das. Vergil verleiht seinem großen Gedicht eine geschichtsphilosophische
Zielrichtung, seinen handelnden Personen eine dramatische Konstellation
und eine innere Tragik, wie wir sie aus den maßstäbesetzenden
Bühnenwerken der antiken Tragödie kennen.
Vor allem die tragische Liebesgeschichte um Dido, die Königin von Karthago,
und Aeneas, den Flüchtling aus dem zerstörten Troja und künftigen
Stammvater Roms, hat durch alle Epochen der abendländischen Geistesgeschichte
hindurch die Herzen bewegt. Die zeitlosen Konflikte, die in dieser
„epischen Tragödie“ ihren Ausdruck finden, bewogen die Saarbrücker
Arbeitsgruppe nochmals zur Bühnendramatisierung eines antiken Stoffs in
einer neuen bzw. einer neuen alten Form: Ebenso wie bei Senecas Phaedra
fiel rasch der Entschluß, eine moderne Bühnenfassung zu erarbeiten, die
am Ende jedoch eine Tragödie nach, nicht von Vergil sein würde.
Wiederum wurden die Aufführungen am Staatstheater von einer wissenschaftlichen
Tagung an der Universität des Saarlandes begleitet. Nicht allein
dem Umstand, daß es sich zugleich um eine Lehrerfortbildung handelte,
war es geschuldet, daß der Kreis der Referenten noch weiter gezogen
werden konnte als in der Vorgängerveranstaltung zur Tragödie Senecas
zwei Jahre zuvor. Es konnten nicht allein Vergilfachleute aus der universitären
Forschung, sondern auch Kollegen aus der Praxis des Literatur- und
Musikunterrichts der Schule sowie der lateinischen Fachdidaktik gewonnen
werden. Damit wurde es möglich, eine Vielzahl von Themen zu Vergil
und zu seiner Vermittlung an die heutigen Generationen, unter den
Bedingungen des gegenwärtigen Schulunterrichts, zu behandeln und so
mannigfaltige Facetten der Geschichte um Dido und Aeneas interpretatorisch
zu beleuchten und kreative Lösungen der Vermittlung und Rezeptionssteuerung
im gemeinsamen Gespräch zu erörtern.