Vorschlag zur Optimierung der induktiv-variothermen Temperierung im Werkzeugbau
Thomas Litwin
Beim abwechselnden Aufheizen und Abkühlen von Kunststoffspritzguss-Formwerkzeugen ist die konventionelle fluid-dynamische Prozessführung energieintensiv und wenig effizient. Neben stetig steigenden Anforderungen an die Bauteilqualität spielen vermehrt der Energiepreis und das wachsende Umweltbewusstsein eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Temperiertechnologie.
Mit der induktiven Temperierung von Formwerkzeugbau steht eine energieeffiziente Temperiermethode zur Verfügung, welche zu einem Umdenken in der traditionell geprägten Werkzeugbaubranche führt aber bislang nur in Nischenanwendungen Anklang gefunden hat. Insbesondere der Präzisionsspritzguss, die Verarbeitung von höchstgefüllten elektrisch und thermisch leitfähigen Thermoplasten oder die spritzgusstechnische Herstellung von Kunststoff-Metall-Hybridstrukturen, zeigten bislang das Leistungsvermögen der induktiv-variothermen Temperierung im Werkzeugbau auf.
Induktiv variotherm temperierte Spritzgieß- oder Heißpresswerkzeuge stellen aufgrund der Anzahl aller Einzelkomponenten ein komplexes Gesamtsystem dar. Um deren kosteneffiziente Konstruktion und Optimierung zur ermöglichen ist eine sorgsame simulativ gestützte Werkzeugauslegung notwendig.
Einen zentralen Aspekt dieser Arbeit bildet die Kombination eines unkonventionellen Werkzeugmaterials mit der simulativ optimierten induktiven Temperierung. Als Ziel galt es die Nachteile, wie beispielsweise hohen Energieaufwand, hohe Materialkosten und lange Zykluszeiten, konventioneller variotherm temperierter Stahlwerkzeuge ausgleichen zu können. Ein messtechnischen Ansatz zur Erfassung der Verlustleistung infolge der eingeprägten Wirbelströme von vollintegrierten Induktoren stellt einen weiteren Punkt dieser Arbeit dar und ergänzt die vorangegangenen ganzheitlichen simulativen Ansätze um quantitative Messwerte. Dieser Ansatz erfolgt mit dem Ziel sowohl gängige Werkzeugstähle hinsichtlich ihrer induktiven Erwärmungsleistung einordnen zu können, als auch ohne simulative Erkenntnisse den Auslegungsprozess im Hinblick auf eine vereinfachte Abschätzung der Aufheizzeit durch entsprechende stahlspezifische Kennfelder zu ermöglichen.
Im Rahmen eines öffentlich BMBF-geförderten Forschungsprojekts wurde in Zusammenarbeit mit Forschungspartnern ein neues, unkonventionelles, hybriden Werkzeugkonzepts gemeinschaftlich entwickelt. Um die Vorteile des hybriden Heißpresswerkzeugs sowie die Besonderheit des elektromagnetisch permeablen Materials (ultra-hochfester Beton) in Kombination mit der induktiven Temperierung aufzeigen zu können, wurden in Laborversuchen höchstgeffüllte, elektrisch und thermisch leitfähige graphitische Compoundplatten induktiver Erwärmung heißgepresst.
Im zweiten Teil der Arbeit wird das differenz-kalorimetrisch Messverfahren zur Erfassung der Verlustleistung für vollintegrierte Induktoren in Kunststoffspritzgieß- oder Heißpresswerkzeugen angewandt. Das Messverfahren wird thermodynamisch diskutiert sowie die konstruktive Auslegung erörtert. Anhand der durchgeführten Versuche an drei gängigen Kunststoffformstählen werden die Messdaten statistisch ausgewertet, interpoliert, zu stahlspezifischen Kennfeldern erweitert und miteinander verglichen. Die gewonnenen Kennfelder werden durch frequenzspezifische Simulationsdaten ergänzt und in eine darauf basierende Handlungsrichtlinie zur Abschätzung der Aufheizzeit und -rate integriert.