„Was ist der Mensch und was kann aus ihm werden?“
Zur Kritik an rationalistischen Utopien und Erziehungskonzepten in E.T.A. Hoffmanns „Nußknacker und Mausekönig“
Misia Sophia Doms, Peter Klingel
Die beiden miteinander verschränkten Interpretationsansätze des Bandes betrachten die kritische Auseinandersetzung der Erzählung „Nußknacker und Mausekönig“ mit der literarischen, der politischen und der pädagogischen Dimension des neuzeitlich-aufgeklärten Rationalismus.
Der erste interpretative Zugang zur „Nußknacker“-Erzählung legt die dem Werk inhärente Utopiekritik offen, die – in doppelter Zielrichtung – einerseits die Utopie als ‚vernünftige‘ Literaturgattung und andererseits die Utopie als systemische Idealvorstellung eines rational geordneten gesellschaftlichen Kollektivs in Frage stellt. Dieser kritische Vorstoß kommt besonders in der Puppenreich-Episode und der Beschreibung des Weihnachtsgeschenks des Paten Droßelmeier, eines Miniaturschlosses, zum Ausdruck.
Der zweite Interpretationsansatz zeigt auf, wie Hoffmann die Folgen eines vernünftigen und auf die Entfaltung der kindlichen Vernunft gerichteten Erziehungsregimes kritisiert. Exemplarisches Opfer desselben ist Marie, die letztlich dem Wahnsinn verfällt. Dass sie im regressiven Refugium ihres Wahns, dem Puppenreich, den Idealen des Rationalismus mitnichten entkommen kann, sondern ihnen in grotesker Verzerrung wiederbegegnet, macht deutlich, wie lang der Schatten ist, den das erzieherische Zerstörungswerk wirft.