Wege des Heils
Erzählstrukturen und Rezeptionskontexte des Markusevangeliums
Karl Matthias Schmidt, Matthias Schmidt
Der Text des Markusevangeliums endete ursprünglich mit der Erzählung vom leeren Grab. Berichte über die Erscheinung Jesu vor den Jüngern schienen zu fehlen. Im 2. Jh. n.Chr. hängte man dem Evangelium daher notdürftig ein Ende an, das dem Bedürfnis nach einem abgerundeten Schluss der Erzählung, versehen mit einem Erscheinungsbericht, Rechnung trug. Dabei ignorierte man, dass auch das Markusevangelium von der Erscheinung Jesu erzählt. Der Evangelist hat diesen »Erscheinungsbericht« allerdings im Beginn des Textes verborgen.Die vorliegende Untersuchung zeigt in ihrem ersten Kapitel, dass die Erzählstrukturen des Evangeliums ein eigenwilliges Lektürekonzept voraussetzten. Am Ende des Textes angelangt haben die LeserInnen das Ende der Erzählung noch gar nicht erreicht. Sie müssen die Lektüre am Beginn des Textes fortsetzen. Das Motiv für diese Textanordnung dürfte in Auseinandersetzungen zwischen Juden- und Heidenchristen innerhalb der markinischen Gemeinde zu suchen sein. Die Zugehörigkeit der Heiden zur Jesusgemeinschaft war fraglich geworden. Der Evangelist trug die nachösterliche Geschichte der Heiden daher in die Geschichte Jesu ein. Ausgehend von der Beobachtung, dass im Markusevangeliums ausgerechnet ein ausgegrenzter Aussätziger die österliche Gemeinde repräsentiert, geht das zweite Kapitel der Frage nach, ob die Exilierung einer christlichen Gemeinde durch die Juden den Streit über die Heidenchristen ausgelöst hat. Das dritte Kapitel setzt die Schilderung der Jesusgeschichte in Beziehung zum Triumph der Heiden über die Juden in Person des Kaisers Vespasians.