Weihe der Kraft
Christine Noe, Gerd Susen, Edith Wack, Friedrich Ludwig Zacharias Werner
Zacharias Werner (1768–1823) ist eine schillernde Figur: protestantischer Dichter, Mystiker, Gesellschaftslöwe, Lebemann, Reisender und, in seinen späteren Jahren, katholischer Priester und höchst erfolgreicher Prediger.
Ebenso schillernd und mystisch – fast wie der katholischen Gegenreformation entsprungen – ist sein Schauspiel „Martin Luther oder die Weihe der Kraft“, in welchem August Wilhelm Iffland 1806 die Gestalt Martin Luthers überaus erfolgreich auf dem Berliner Nationaltheater verkörperte. Während der Autor Luthers Biographie weitgehend korrekt wiedergibt, sieht er bei Katharina von Bora von historischer Richtigkeit ab, um ihr die Rolle der reinigenden Kraft in dem von ihm entwickelten Liebessystem zu übertragen, mittels dessen Auserkorene zu historischer und moralischer Größe geführt werden.
In seiner Art ist „Die Weihe der Kraft“ ein Gesamtkunstwerk: die eigens komponierte Musik durchzieht das gesamte Drama, die genauen Vorgaben für die Bühnenbilder wären bei einer Aufführung gewiss eine Augenweide in Form einer Reihe von üppigen mittelalterlichen Tableaux vivants. Dazu kommen der straff geführte Text und die wie selbstverständlich erfolgenden Grenzgänge zwischen irdischer und außerirdischer Welt, was alles beim Leser den Wunsch erweckt, das Stück auf dem Theater zu sehen.
Wie weiter nicht erstaunlich, blieb der Verriss nicht aus, für Literaturinteressierte unterhaltsam nachzulesen in Theodor Fontanes „Schach von Wuthenow“ (1883). Werner selbst sieht Erklärungsbedarf für sein mystisches Drama und verfasst daher, ebenfalls1806, seine Schrift Einige Worte an das Publicum. 1814 schließlich veröffentlichte der inzwischen zum Katholizismus konvertierte Autor als eine Art Widerruf eine weitere, durch die zahllosen, überlangen Fußnoten ziemlich bombastisch geratene Schrift mit dem Titel „Die Weihe der Unkraft“, die beim protestantischen Publikum so schlecht ankam, dass die zweite Kernaussage des Texts, die Sorge um eine friedenerhaltende Neuordnung Deutschlands nach dem Zerfall des napoleonischen Imperiums, ganz unbeachtet blieb.
Das Ziel der Lutherbibliothek 2017 ist, die historische Gestalt Martin Luthers in ihren literarischen, d.h. narrativen, szenischen und referentiellen Transformationen von den Anfängen um 1520 bis in unsere Tage zu dokumentieren.
Methodisch zieht die Unternehmung dabei weit größere Radien als eine zunächst zu erwartende stoff- oder motivgeschichtliche Zusammenstellung von einzelnen Texten bzw. Textstellen, in denen Luther namentlich oder implizit erscheint. In der Zusammenschau soll vielmehr die Leistung der Literatur als ein ästhetisches Medium deutlich werden, nicht nur historische Subjekte abzuschildern, sondern mit den Möglichkeiten der Fingierung und Fiktionalisierung, mit der Projektion oder Suggestion nun selbst Bilder zu erzeugen.
Inhalt
Vorwort (Christine Noe)
Zacharias Werner: Martin Luther, oder Die Weihe der Kraft. Eine Tragödie vom Verfasser der Söhne des Thales (1807)
Zacharias Werner: Einige Worte an das Publicum über das Schauspiel die Weyhe der Kraft (1807)
Zacharias Werner: Die Weihe der Unkraft. Ein Ergänzungsblatt zur deutschen Haustafel (1814)
Karl Friedrich Müchler: Die Weihe der Unkraft von Fr. Ludw. Zacharias Werner. Nebst einer Antwort von einem Deutschen (1814)