Wendejahr 1959?
Die literarische Inszenierung von Kontinuitäten und Brüchen in gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten der 1950er Jahre
Jens Birkmeyer, Viviana Chilese, Nicole Colin, Andrea De Petris, Torben Fischer, Charis Goer, Fabian Lampert, Matthias N Lorenz, Oliver Müller, Daniela Nelva, Martina Ölke, Maurizio Pirro, Daniel Siemens, Michele Sisto, Juliane Wetzel, Anselm Weyer
‚Wende‘ oder ‚Wendepunkt‘, ‚Sprung‘, ‚Durchbruch‘, ‚Zäsur‘ oder gar ‚annus mirabilis‘ – kanonische Periodisierungen der deutschen Literatur der Nachkriegszeit sprechen dem ‚Romanjahr‘ 1959 einen entscheidenden Schwellencharakter zu. Das Erscheinen von drei wichtigen Romanen – Günter Grass’ ‚Blechtrommel‘, Uwe Johnsons ‚Mutmaßungen über Jakob‘ und Heinrich Bölls ‚Billard um halbzehn‘ – wurde bereits von den Zeitgenossen als Ende des Nachkriegs und als ein Wiederaufschließen Deutschlands an die Moderne empfunden.
Mit einem halben Jahrhundert Abstand fragen die deutschen und italienischen BeiträgerInnen des Bandes nach der Plausibilität dieses Klischees. Den Relektüren kanonisierter Werke werden Studien über Inszenierungsstrategien im literarischen Feld, kulturhistorische Kontexte, internationale sowie innerdeutsche Einflüsse und Rezeptionsphänomene zur Seite gestellt.
In der zweiten Hälfte der 50er Jahre stehen, so zeigt sich, zahlreiche politische und ästhetische Diskurse nebeneinander, die ab 1959 noch einmal an besonderer Dynamik gewinnen. Dabei zeichnen sich weitreichende Transformationsprozesse auf vielen Feldern – von der Postmoderne bis zur so genannten ›Vergangenheitsbewältigung‹ – ab, die erst im Verlauf der späten 60er Jahre als bestimmend erkennbar wurden.