„Wer hat uns verraten?“
Zur sprachlichen Konstruktion des Verratsdiskurses im linken Parteienspektrum der frühen Weimarer Republik
Melanie Seidenglanz
,Verrat‘ ist ein omnipräsentes Konzept in politischen Diskursen. Immer wieder bedienen sich politische Akteure des Verratsvorwurfs, benutzen dabei ein spezifisches lexikalisches Inventar und greifen auf tradierte kulturwissenschaftliche Konzepte von ,Verrat‘ zurück. Exemplarisch wird in diesem Band der Verratsdiskurs innerhalb des linken Parteienspektrums in der Weimarer Republik von 1918 bis 1920 analysiert. Die Perspektive der Untersuchung ist die der linguistischen Diskursanalyse. Thematischer Gegenstand ist hierbei die diskursbasierte Rekonstruktion der zentralen Verratskonzepte der Mehrheitssozialdemokraten (MSPD), der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und der Kommunistischen Partei (KPD) in der demokratiegeschichtlich relevanten Umbruchzeit in den Anfangsjahren der ersten deutschen Republik. Das Untersuchungskorpus umfasst Flugblätter, Aufrufe, Reden, Tagebücher und auch literarische Texte. Mithilfe eines diskurslinguistischen Analyseinstrumentariums wird das lexikalisch-semantische Netz des Konzepts ,Verrat‘, die Bedeutung der Kategorie ,Umbruch‘ sowie die Metaphorik und Stereotypie, auf die die Diskursbeteiligten seriell im Weimarer Verratsdiskurs zurückgreifen, erforscht.