Werte im Widerstreit
Wirtschaftsmoral als programmatischer Diskurs
Martina Ahr
Nach 1989 schien der Kapitalismus historisch endgültig durchgesetzt. Zwei Jahrzehnte später steckt er in einer tiefen Legitimitätskrise. Fragen der Wirtschaftspolitik beschäftigen breite gesellschaftliche Kreise und der Ruf nach einer Wirtschaftsmoral wird – je nach Standpunkt – unterschiedlich vehement und ausgeprägt vertreten. Wie eine „moralische“ Wirtschaft aussieht, darüber gehen die Meinungen freilich seit jeher auseinander. Die diversen Entwürfe entstanden jeweils unter spezifischen historischen und sozialen Bedingungen. In drei signifikanten Fallstudien zeigt Martina Ahr, wie dieser Diskurs durch historische und kulturelle Gegebenheiten einerseits beeinflusst wird und andererseits selbst politische und institutionelle Verschiebungen auslöst. Sie beleuchtet die Diskussion zwischen der katholischen Kirche mit ihren Sozialenzykliken und dem lenkenden Staat im 19. Jahrhundert. Sie beschreibt den Konflikt von Kapital und Arbeit vor dem Hintergrund von Industrialisierung und entstehender Arbeiterdebatte. Und sie widmet sich dem ökologisch-sozialen Wertewandel der 1970er- und 80er-Jahre, wie er sich in der erstarkenden Partei der „Grünen“ manifestierte.