Wilhelm Stiassny (1842-1910)
Jüdischer Architekt und Stadtpolitiker im gesellschaftlichen Spannungsfeld des Wiener Fin de Siècle
Wolfgang Herzner, Ursula Prokop, Inge Scheidl
In kaum einer Architektenbiographie des ausgehenden 19. Jahrhunderts spiegeln sich der strahlende Glanz historistischer Baukunst, die dynamische Entwicklung Wiens, jüdische Emanzipationsbestrebungen und zunehmender Antisemitismus derart konzentriert wider wie im Falle Wilhelm Stiassnys.
Wilhelm Stiassny (1842-1910) war ein vielseitiger Architekt der Donaumonarchie, erfolgreicher Wiener Kommunalpolitiker sowie ambitionierter Vertreter jüdischer Interessen. Seine Biographie offenbart einen herausragenden Repräsentanten der bewegten Epoche des Fin de Siècle und spiegelt das zunehmend spannungsgeladene Umfeld des erfolgreichen jüdischen Großbürgertums wider. Vor der Folie der kulturellen, politischen, sozialen sowie städtebaulichen Auf- und Umbrüche der Donaumetropole wird eine weit über das übliche Schema einer Architektenbiographie hinausgehende Analyse geboten, die Stiassnys architektonisches Oeuvre in den Mittelpunkt stellt. Dazu zählen repräsentativ gestaltete Wohn- und Geschäftshäuser, Villen, Gebäude für soziale Einrichtungen, Synagogen, Zeremonienhallen und Grabdenkmäler. Vieles entstand in Zusammenarbeit mit namhaften jüdischen Auftraggebern, deren Bedeutung für das Werk Stiassnys ebenso sichtbar wird wie sein Verdienst um die Gründung des Jüdischen Museums.